Älterwerden im inklusiven Wohnen - Gäste: Eva Thalhammer, Lena Stephan
Shownotes
In der Rente den freien Alltag gestalten, mit gestiegenem Pflegebedarf umgehen lernen und am Ende sogar Abschied nehmen: Das Alter kommt mit einigen Herausforderungen, gerade wenn jemand mit einer sog. geistigen Behinderung lebt.
Lena hat im vergangenen Jahr mit vielen Menschen darüber gesprochen. Eine davon ist Eva. Sie hat in ihren 25 Jahren Berufserfahrung einige Menschen beim Älterwerden begleitet. Eva berichtet von ihren Erfahrungen im inklusiven Wohnalltag und erzählt uns, welche Erkenntnis aus ihrer Weiterbildung als Palliativbegleiterin ihr am meisten geholfen hat. Schließlich stellt uns Lena eine neue Broschüre vor, in der sie viele weitere Impulse gibt, um sich mit dem Älterwerden und Sterben im inklusiven Wohnen auseinanderzusetzen.
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[Kati]
Hallo Eva, hallo Lena. Heute geht es in unserer Folge um das Thema Alterung und Tod in Bezug auf inklusives Wohnen, was da auch sehr wichtig ist, weil es jeden früher oder später mal treffen kann. Und ich freue mich sehr, dass ihr heute meine Gäste seid.
Am besten stellt ihr euch erst mal selber vor. Hallo.
[Sprecher 1]
Hallo, schön, dass wir da sind. Ja, ich fange jetzt mal an. Also ich bin die Eva, ich bin Sonderpädagogin, arbeite schon ziemlich lang, schon 26 Jahre bei Gemeinsam Leben Lernen in unterschiedlichen inklusiven WGs.
Angefangen habe ich in dem, was wir klassische WG nennen, also einer Wohngemeinschaft, wo jüngere Menschen mit Behinderung und Studierende zusammenwohnen. Inzwischen bin ich in einer Mehrgenerationen-WG, da wohnen ältere Menschen mit geistiger Behinderung. Dann mache ich weiter.
[Lena]
Ich bin Lena und ich arbeite bei Wohnsinn und bin dort vor allem in der Beratung tätig im süddeutschen Raum, aber ich arbeite auch in dem Resilienzprojekt, um das es ja heute auch geht, mit und habe mich da schwerpunktmäßig mit einem Themenbereich auseinandergesetzt. Ich bin von der Ausbildung her Sozialpädagogin und habe soziale Arbeit studiert und bin dann eigentlich durch Zufall zum inklusiven Wohnen gekommen und habe das in verschiedenen Rollen kennengelernt als WG-Leitung von einer inklusiven Wohnform, aber auch als Bewohnerin einer inklusiven Haus- und Hofgemeinschaft, genau.
[Kati]
Und habt ihr davor schon bei, also ihr arbeitet ja bei GLL beide, bei Gemeinsam Leben Lernen e.V., habt ihr da auch schon zusammengearbeitet oder habt ihr jetzt zum ersten Mal in dem Resilienzprojekt Überschneidungspunkte gehabt?
[Eva]
Nö, wir kennen uns von Gemeinsam Leben Lernen schon. Also von da, als du, Lena, angefangen hast in Perlach, glaube ich, oder?
[Lena]
Ja, genau.
[Eva]
Da warst du ja auch WG-Leitung und da habe ich dich als ganz erfahrene Kollegin auch kennengelernt, genau, schon einige Jahre jetzt auch her. Wir sind uns so immer wieder über den Weg gelaufen und wussten auch beide, dass wir uns für diesen Themenbereich Alterung auch interessieren, genau, aber sind jetzt eigentlich auch über das Resilienzprojekt dann wieder so in Austausch getreten.
[Kati]
Ja, du hast jetzt gerade schon erwähnt, das Resilienzprojekt, das ist ja ein Projekt von Wohnsinn. Das hat jetzt ein Jahr gedauert. Was genau kann man sich darunter vorstellen, Lena?
[Lena]
Ja, also dieses Projekt trägt eigentlich den Titel Resilienz im inklusiven Wohnen. Und so wie du gesagt hast, wir hatten jetzt circa ein Jahr lang Zeit, uns schwerpunktmäßig mit drei Herausforderungen des inklusiven Wohnens auseinanderzusetzen und da die Chance, mal ein bisschen näher hinzuschauen. Wir haben uns drei Themenbereiche rausgepickt.
Das Thema Recht auf Selbstbestimmung, Gewaltschutz und Alterung, Tod und Trauer. Und hatten jetzt einfach die Zeit, uns näher damit auseinanderzusetzen. Wir wurden auch gefördert von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, dieser Arbeit jetzt nachgehen zu können und wollten in diesem Projekt auch einen Beitrag dazu leisten, dass inklusive Wohnformen in ihrer Resilienz oder man kann auch sagen Widerstandsfähigkeit gestärkt werden und uns einfach mit diesen Herausforderungen näher zu beschäftigen und zu schauen, wie können wir Gruppen und Initiativen und bestehende Projekte da auch unterstützen.
Mit unserem Wissen, das wir jetzt auch zusammengetragen haben, ihre Konzepte auch nochmal anzusehen oder auch weiterzuentwickeln, um diesen Herausforderungen gut begegnen zu können in der Zukunft. Genau. Und man kann sich vielleicht auch so vorstellen, also dieses Projekt, wir sind drei Mitarbeitende in diesem Projekt und haben jetzt auch schriftlich etwas ausgearbeitet, das in Form von Broschüren auch zu erhalten ist.
Aber wir haben auch jetzt im Laufe des Jahres Workshops angeboten oder zum Beispiel Erfahrungstausch zu einem Thema, Inhausschulungen und ja, wollten dieses Thema so auf verschiedenen Ebenen einfach mit verschiedenen Personen besprechen und unser Wissen dann zusammenstellen und werden es nach und nach auch veröffentlichen.
[Kati]
Genau und passend dazu machen wir auch zu jedem Teilbereich eine Podcast-Folge, die zum Thema Gewaltschutz haben wir schon veröffentlicht und jetzt ist der zweite Teilbereich dran, der sehr wichtig ist, weil früher oder später mal jeder damit in Berührung kommt. Entweder, weil man zum Beispiel selber älter wird, damit ändert sich ja auch oft die Pflegesituation oder ja, Alterung und Tod kann einen ja auch im Umfeld plötzlich treffen, wenn ein sehr geliebter Mensch nicht mehr da ist. Eva, wie hast du denn oder wie hat GLL gemerkt, dass das ein großes Thema ist, über das frühzeitig nachgedacht werden muss?
[Eva]
Ja, das Erste, was wir gemerkt haben, ich habe ja schon gesagt, ich habe angefangen in so einer ganz klassischen WG mit jungen Leuten und jungen Studierenden sozusagen und das Erste, was wir gemerkt haben, war, dass die Bewohner und Bewohnerinnen mit Behinderung sind älter geworden und sie sind nicht mehr so regelmäßig in die Arbeit gegangen wie vorher. Das war sobald das Erste und die WGs, also unsere klassischen WGs waren ja damals auch oder sind auch noch heute sehr darauf ausgerichtet, steht auch in der Konzeption, es wohnen da Leute, die tagsüber unter der Woche irgendeiner Beschäftigung oder irgendeiner Arbeit nachgehen. Und dann gab es Bewohnerinnen, eine Bewohnerin, die war noch gar nicht mal so alt damals, sie war dann so an die 40, aber konnte aufgrund von Vorerkrankungen, hatte sie immer wieder Zeiten, das war so zwei, dreimal im Jahr, wo sie so für vier bis sechs Wochen nicht in die Arbeit gehen konnte.
Also es ging ihr nicht wirklich richtig schlecht, aber sie konnte eben nicht in die Arbeit gehen und war dann tagsüber alleine in der Wohngemeinschaft. Also sie konnte sich zwar alleine versorgen dort auch, aber es war ja keine Begleitung. Und sie war alleine und es ging dann häufig auch so in eine depressive Richtung.
Es ging ihr nicht so gut, sie konnte nicht arbeiten gehen. Sie hat sich natürlich auch ganz viele Fragen gestellt, wie geht das das Kind weiter? Also wie geht es auch mit meiner Erkrankung weiter?
Solche Fragen kamen auf und wir haben gemerkt, das ist einfach nicht gut, wenn sie den ganzen Tag alleine zu Hause ist und da auch keinen Ansprechpartner hat. Und keine Begleitung hat. Und dann gab es eine andere Bewohnerin, die hat auf ihre Weise gezeigt, dass sie nicht mehr, dass sie die Arbeit nicht mehr schafft.
Das ist ja oft sehr, sehr lang. Die Leute werden in der Früh manchmal schon vor sieben Uhr morgens vom Werkstattbus abgeholt und kommen um 17 Uhr wieder zurück. Und dass sie diese langen Arbeitszeiten einfach mit zunehmendem Alter nicht mehr schafft.
Und sie hat es auf ihre Weise gezeigt, dass sie einfach in der Früh an manchen Tagen nicht in den Werkstattbus eingestiegen ist. Und das war natürlich ein großes Problem, weil es war untertags, es war auch eine Bewohnerin, die konnte auch nicht alleine bleiben den ganzen Tag. Es war einfach untertags keine Begleitung in der WG und wir hatten auch kein Personal dafür.
Und war natürlich für uns ein riesen Problem, wie können wir das jetzt handeln können. Genau, das waren so die ersten Anzeichen. Das fing an so 2001, glaube ich, dass wir uns bei GLL so Gedanken gemacht haben.
Ja, was ist denn eigentlich mit den Leuten, die nicht mehr regelmäßig einer Arbeit nachgehen können aufgrund ihres Alters und aufgrund ihrer Erkrankung? In der Konzeption steht eigentlich, das ist die Voraussetzung. Aber wenn die es jetzt nicht mehr können und nicht mehr schaffen, müssen die dann ausziehen?
Oder was passiert dann? Und natürlich war der Wunsch von den, sowohl von den Bewohnern und Bewohnerinnen als auch von den Angehörigen, dass sie bei Gemeinsam Leben Lernen bleiben können. Und das waren so die ersten, die ersten Momente, wo wir überlegt haben, okay, da könnte es doch irgendwie was anderes geben oder müsste es eigentlich was anderes geben.
Und so sind dann die beiden Mehrgenerationen WGs entstanden, die wir haben bei GLL. Also die erste wurde 2006 dann gegründet, wo eben ältere Menschen mit einer kognitiven Einschränkung leben, die nicht mehr Vollzeit in die Arbeit gehen. Und inzwischen ist es bei uns in Riemen so, dass von den sechs Bewohnerinnen mit Behinderung nur noch zwei an drei Tagen die Woche arbeiten gehen.
Und die anderen sind in Rente und sind die ganze Zeit zu Hause.
[Kati]
Das heißt, ihr seid da auch ein bisschen so reingewachsen als Verein in die Situation?
[Eva]
Ja, wir mussten uns einfach irgendwann mal dieser Frage stellen, weil, wie gesagt, was passiert, wenn die Leute nicht mehr arbeiten müssen, die dann ausziehen? Und wir haben aber auch gesehen, es gibt nicht die wirklich guten Alternativen. Also es waren ja alle Einrichtungen des Wohnens und der Eingliederungshilfe, die standen alle vor dem gleichen Problem.
Die wussten alle nicht, was passiert, wenn die Bewohner und Bewohnerinnen nicht mehr nicht mehr arbeiten können und in Rente sind.
[Kati]
Würdet ihr sagen, das Thema wird insgesamt relevanter jetzt in der Zukunft, auch für inklusive WGs insgesamt?
[Eva]
Ja, natürlich, weil also die Menschen, die da jung eingezogen sind, mit zwischen 20 und 30, werden jetzt älter, kommen in ein Alter, wo sie eben nicht mehr arbeiten können. Und dann haben viele Träger, haben ja gerade eben diese Fragen, was passiert dann, wo können die Leute oder wie können die Leute dann begleitet werden?
[Lena]
Ja, und wir bei Wohnsinn merken das auch in unserer Beratung.
Wir haben ja mit vielen Initiativen, mit vielen Projekten zu tun. Da merken wir, dass dieses Thema immer präsenter wird, weil es ja auch ein Thema ist, das nicht nur WGs betrifft, in denen schon ältere Menschen mit Behinderung wohnen, sondern auch ein Thema für jüngere Menschen durchaus sein kann. Und dass das auf jeden Fall ein Thema ist, das nicht jetzt nur in München bei Gemeinsam Leben Lernen zu bemerken ist, sondern auch darüber hinaus bei anderen Trägern.
Und ich glaube, man muss auch nochmal drauf blicken, dass es das eine ist, dass Menschen älter werden. Das zeigt einfach auch den demografischen Wandel, dass es so ist und dass sich auch manche Verbesserungen aufgetan haben, zum Beispiel die psychosoziale oder die medizinische Versorgung ist in Deutschland besser geworden. Das heißt auch, dass es mehr Menschen, auch mehr Menschen mit Behinderung gibt, die älter sind.
Und ja, dass mittlerweile eben auch so eine ganze Generation an älteren Menschen mit Behinderung auch da sind, die es jetzt früher durch die NS-Zeit auch nicht gab, diese Generationen, die gibt es heute. Und ich denke auch, Eva, du hast es ja auch gerade so in der Art gesagt, dass die Menschen, die auch in diesen inklusiven Wohnformen wohnen, auch eingezogen sind, weil es ihre Wohnform ist oder ihr Zuhause. Und sie auch, wenn sie älter sind, nach wie vor dieses Recht haben und das auch äußern, dass sie inklusiv wohnen möchten und ihr Zuhause auch so nicht verlassen möchten und diesen Wunsch auch haben, in so einer Gemeinschaft auch nach wie vor zu wohnen.
[Kati]
Lena hat sich dann durch die Beratung, die du gerade schon erwähnt hast, das Thema so ein bisschen ergeben oder war euch, war das bei Wohnsinn einfach schon sehr früh klar, dass wir irgendwann mal dazu was machen müssen?
[Lena]
Ja, wir haben es durch die Beratung gehabt und dadurch, dass wir Mitarbeitenden ja meistens noch bei einem anderen Arbeitgeber arbeiten und da auch viel in der Praxis tätig sind, dass wir gemerkt haben, ja, es gibt trägerübergreifend oder bei mehreren Initiativen einfach Stolpersteine, mit denen die Gruppen zu tun haben und wir als Wohnsinn können doch die Chance auch ergreifen, ja, auf einer anderen Ebene noch mal drauf zu blicken und haben überlegt, welche Themen sind es so, die wir angehen können.
Da sind uns ganz viele eingefallen und wir haben dann einfach drei Themenbereiche ausgewählt und gesagt, mit denen beschäftigen wir uns jetzt mal näher und ein Thema ist eben dieses Alterung, weil ich von Gemeinsam Leben Lernen zum Beispiel auch eben wusste, dass sie da schon viel Arbeit geleistet haben, sich damit auseinanderzusetzen. Ich wusste von Eva und anderen Kolleginnen, die sich damit schon sehr beschäftigt haben. Genau, das war dann einfach, ja, auch ein Stück weit so, dass wir gesagt haben, welche Themen wählen wir und dann sind die drei jetzt eben geworden.
[Kati]
Und welche zentralen Herausforderungen haben sich da ergeben innerhalb deiner Projektarbeit? Was würdest du sagen, war da das Wichtigste, worüber die meisten Leute irgendwie geschleudert sind in ihrer WG?
[Lena]
Also es war so, jetzt auch für die schriftliche Ausarbeitung, für die Broschüre und innerhalb des Jahres habe ich mich auch ausgetauscht mit verschiedenen Personen oder verschiedenen Akteuren, die sich auch mit diesem Thema beschäftigen. Eva war eine Person davon und so habe ich dann auch zusammengetragen, welche Herausforderungen oder welchen Schäuberschein begegnen auch diese Gruppen. Und ja, da gibt es verschiedene Paar, die man vielleicht rauspicken kann, ist einmal diese unterschiedliche Verweildauer auch in diesen WGs oder in den inklusiven Wohnformen, dass die studentischen Mitbewohnerinnen ja häufig einfach für eine gewisse Zeit dort wohnen, für einen Lebensabschnitt und dann nach Beendigung der Ausbildung oder des Studiums ausziehen.
Aber die Mitbewohner mit Behinderung bleiben dort wohnen, sodass sich auch die Altersspanne weiter auseinander geht. Und das ist dann aber auch eine Dynamik, die spürbar ist und auch für die Gemeinschaft was bedeutet. Dann aber auch, Eva hat es ja auch schon erzählt gehabt, wenn Personen nicht mehr voll berufstätig sind oder auch nicht mehr berufstätig sind und schon in Rente und dann auch tagsüber Angebote stattfinden müssen oder auch tagsüber mehr in der WG los sind, bedeutet das auch was für die Privatsphäre oder für die Gemeinschaft in einer Gruppe.
Und man muss auch überlegen, was brauchst du dafür auch für Ressourcen, um diesem Thema auch begegnen zu können. Brauchst du mehr Personal? Welche Angebote müssen tagsüber auch stattfinden?
Was wollen die Menschen denn überhaupt in ihrer freien Zeit jetzt machen? Auch dem muss man ja irgendwie auf den Grund gehen. Und ja, was vielleicht auch Thema ist, ist ja auch dieser Verlust von Fähigkeiten oder von Möglichkeiten.
Ich weiß noch, Eva, als wir uns ausgetauscht hatten, hattest du gesagt, das ist auch so ein schleichender Prozess. Das ist auch nichts, was von heute auf morgen passiert. Aber für jeden Menschen, auch für Menschen mit Behinderung, was bedeuten kann, wenn ich im Alter manche Fähigkeiten nicht mehr habe und damit auch klarkommen muss, dass ich manches nicht mehr so kann oder mir das eingestehen muss, dass das auch viel bedeutet, aber dass auch die Gruppe ein Stück weit wieder auffangen muss.
[Eva]
Genau, also ich habe ja vorher gesagt, dass die erste Herausforderung, die uns begegnet ist bei Gemeinsam Leben Lernen in diesen klassischen WGs, ist eben, dass die Bewohner und Bewohnerinnen mit Behinderung nicht mehr Vollzeit berufstätig waren. Das heißt, wir haben, das war wirklich so dieser erste Schritt. Wir haben tagsüber eine Begleitung gebraucht.
Wir haben auch eine Begleitung gebraucht vom Arbeitsleben in die Rente. Das ist für jeden Menschen ein Riesenschritt, wenn die Arbeit wegfällt und damit auch das soziale Umfeld. Und wie du gesagt hast, Lena, was mache ich denn dann mit meiner freien Zeit?
Kann ich mir nochmal irgendwelche Träume, die ich vielleicht als Jugendliche hatte, in der Rente dann erfüllen? Das haben auch einige Bewohner und Bewohnerinnen gemacht. Wir haben einen Bewohner, der hat sich schon immer mal gewünscht, der hat in einer Werkstätte für Behinderte gearbeitet, sein ganzes Leben lang und hat sich aber schon immer mal gewünscht, in einem Supermarkt zu arbeiten.
Und jetzt in der Rente hat er angefangen. Es gibt hier in München einen Genossenschafts-Supermarkt, wo jeder einkaufen kann, wenn er auch Genossenschaftsmitglied ist und wo aber jeder, der Mitglied ist, mindestens drei Stunden pro Monat dort auch mitarbeiten muss. Und da ist er jetzt also Mitglied geworden und arbeitet da drei Stunden pro Monat jetzt in dem Supermarkt und hat sich diesen Traum irgendwo im Alter jetzt erfüllt.
Also was ja viele Menschen machen. So in der Rente, da mache ich dann das, was ich eigentlich immer schon machen wollte und wozu ich während meiner Berufstätigkeit nicht komme. Also das war so der erste Schritt bei Gemeinsam Leben Lernen und was wir jetzt, also die erste Mehrgeneration-WG mit auch Tagbegleitung, die wir haben, ist jetzt 18 Jahre alt geworden.
Und was aber natürlich jetzt mit zunehmendem Alter dazukommt, sind eben zunehmende Krankheiten, ist auch der Verlust von Fähigkeiten. Also dass Bewohner und Bewohnerinnen einen Rollator brauchen, um sich fortzubewegen, um mobil zu sein zum Beispiel. Dass man manche Sachen einfach so, dass man unsicher wird zum Beispiel beim Duschen.
Und dann haben wir festgestellt, und das ist aber so wie bei allen älteren Menschen oder ich habe gemerkt, das ist auch in meinem Familienkreis so, dass die älteren Herrschaften dann einfach aufhören, solche Tätigkeiten zu machen. Also jemand, der immer sein Leben lang selbstständig geduscht hat, der tut es dann einfach nicht mehr. Also er duscht sich einfach nicht mehr.
Und wir kommen irgendwann nach drei Wochen drauf, ja im Moment mal da irgendwie ist da was komisch und so hast du eigentlich mal geduscht. Aber das habe ich eben zum Beispiel bei meiner, im Familienkreis bei meiner Schwiegermutter auch erlebt. Also sie, dass man ja auch immer selber das für sich gar nicht zugeben will, das kann ich jetzt nicht mehr, sondern dass man es dann einfach nicht mehr tut so.
Und das ist natürlich eine große Herausforderung. Wie geht man damit um? Dann natürlich auch, wie geht man um mit zunehmenden Krankheiten?
Die kommen mit auch lebensbedrohlichen Krankheiten. Also wenn eine Bewohnerin, die hatte einen Herzinfarkt und das war wirklich schon sehr lebensbedrohlich. Also sie hat zum Glück sehr, sehr gut überstanden, aber war schon sehr, sehr knapp.
Wie geht man damit um mit überhaupt diesem Gedanken, dass Bewohner und Bewohnerinnen sterben könnten und auch sterben werden? Weil für uns als Pädagoginnen ist ja immer das Allerschlimmste, was passieren kann, dass jemand verstirbt während unserer Begleitung. Ja, also und ich habe gemerkt bei uns im Team, wir haben sehr, sehr lang gebraucht, um überhaupt mal darüber zu sprechen.
Also um als Team überhaupt mal darüber zu sprechen, es könnte sein, dass hier auch jemand verstirbt. Und also das ist dann eben auch dieser Palliativ-Gedanke. Ich habe ja dann eben aufgrund dessen, dass diese Fragen immer drängender wurden, habe ich dann die Ausbildung gemacht zur Fachkraft für Palliativ-Care in der Eingliederungshilfe.
Das ist eine Weiterbildung eben für Pädagoginnen und Pädagogen, die in der Eingliederungshilfe arbeiten. Und da haben wir angefangen, uns einfach mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Und der Grundgedanke von Palliativ-Care ist ja eben den, wie heißt man, muss man unbedingt noch im Alter alles erzwingen, auch alles medizinisch Machbare, um das Leben zu verlängern?
Und was ist dann mit der Lebensqualität? Und dann natürlich die Frage, was ist eigentlich der Wunsch von den Betroffenen? Was ist eigentlich der Wunsch von dem Bewohner oder der Bewohnerin?
Wie möchte die oder der im Alter leben? Was ist denn wichtig, was das Leben noch lebenswert macht? Also solche Fragen kommen immer mehr auf und die sind natürlich unheimlich, unheimlich spannend, aber gleichzeitig auch unheimlich herausfordernd.
[Lena]
Eva, ich wollte noch fragen, weil du bist ja jetzt auch viel mehr in der Praxis tätig, als ich es jetzt bin, aber ich habe es jetzt auch durch verschiedene Gespräche im Rahmen des Projekts nochmal so für mich auch mitgenommen, dass die Konzepte des inklusiven Wohnens ja auch ganz unterschiedlich aussehen. Aber häufig ist es ja auch so, dass studentische Mitbewohnerinnen Aufgaben mit übernehmen, so dieses Wohnen-für-Hilfe-Modell, und wenn dann schnell wachsende oder verändernde medizinische oder pflegerische Bedarfe aufkommen, ja häufig ganz schnell auch reagiert werden muss. Und es sind ja jetzt pädagogentätig, ehrenamtliche, studentische Mitbewohnerinnen, die jetzt auch nicht immer so die Kenntnis haben in diesem Bereich.
Das kann ja auch so eine WG erstmal voll überfordern oder überrumpeln. Vielleicht kannst du da auch nochmal so ein bisschen aus der Praxis erzählen von solchen Überforderungsmomenten, weil das ist ja auch etwas als Herausforderung, dass eine WG auch immer wieder beschäftigen kann.
[Eva]
Ja, natürlich.
Also wie ich schon gesagt habe, wir sind Pädagoginnen und viele von uns und natürlich auch von den studentischen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen haben uns eigentlich noch gar nicht mit dem Thema schwere Krankheit, Sterben beschäftigt. Also das ist ja als Pädagogen und Pädagogin ist das eigentlich nicht so unser Thema, ja. Beziehungsweise ist etwas, worüber wir gar nicht sprechen wollen, uns gar nicht vorstellen wollen, dass sowas passieren kann.
Gleichzeitig haben wir natürlich nicht die medizinischen Kenntnisse, die man, wie du schon gesagt hast, die man vielleicht für manche Sachen braucht. Und ich fühle mich unheimlich hilflos, wenn ich merke, ein Bewohner oder eine Bewohnerin im Alter hat irgendwie eine Krankheit und ich weiß aber nicht, was es ist und ich weiß nicht, wie ich dem oder derjenigen helfen kann. Ich gehe dann, ich werde von Arzt zu Arzt oder wir werden von Arzt zu Arzt geschickt.
Jeder ist irgendwie nicht zuständig und fühlt sich irgendwie nicht zuständig und kann nichts dazu sagen, weil das irgendwie nicht eine klassische Erkrankung ist. Und wir sind aber diejenigen immer in der WG, die nicht sagen können, ja, wir schicken den jetzt noch woanders hin. Sondern wir hatten zum Beispiel, ich kann das am besten an einem Beispiel beschreiben.
Ein Bewohner im Alter hat angefangen, nicht mehr in seinem Bett zu schlafen. Er wollte sich nicht mehr hinlegen. Wir wussten überhaupt nicht, was los ist.
Dadurch, dass er sich nicht mehr hingelegt hat und immer im Sitzen nur noch geschlafen hat, sind seine Beine immer dicker geworden. Er hat Wassereinlagerungen in den Beinen bekommen. Wir sind zu sehr, sehr vielen Ärzten gegangen, haben versucht rauszufinden, was da helfen konnte.
Wir wurden von jedem Arzt zum nächsten und weiter geschickt und jeder hat gesagt, nee, da bin ich nicht zuständig, da bin ich nicht zuständig dafür. Aber er war ja bei uns zu Hause in der WG und wir konnten nicht sagen, wir sind nicht zuständig. Und gleichzeitig fehlt uns natürlich das medizinische Wissen, um da zu sagen, ja, das könnte es sein oder das könnte es sein.
Und in so Momenten fühle ich mich einfach unheimlich hilflos. Und wir haben aber natürlich überlegt, was können wir da machen, haben uns dann auch Hilfe gesucht und wir haben das ganz große Glück, dass wir inzwischen eine Ärztin haben, eine Palliativärztin, mit der wir sehr, sehr eng zusammenarbeiten, die zu uns in die WG kommt und manche Bewohner und Bewohnerinnen auch mitbetreut, also zusätzlich zu den Hausärzten, die wir eigentlich rund um die Uhr anrufen können, wenn wir irgendwie so eine Situation haben, wo wir uns unsicher sind, wo wir nicht wissen, muss man da jetzt was unternehmen, auch so Fragen, muss man jetzt wegen irgendeiner Sache unbedingt jetzt sofort den Notarzt rufen oder sollen wir noch nicht oder sollen wir ins Krankenhaus fahren oder nicht. Und die uns da wunderbar berät und dadurch diese Hilflosigkeit uns einfach nimmt und auch diese Sorgen und diese Ängste, dass wir irgendwie was verpassen könnten und irgendeinen Fehler machen könnten in medizinischer Hinsicht. Und auf der anderen Seite arbeiten wir mit zwei Pflegediensten zusammen, die auch kommen, regelmäßig kommen und uns da bei der Pflege unterstützen von zwei Bewohnerinnen.
Genau, also da versuchen wir eben, ja, wir kommen immer wieder so an unsere Grenzen und dann versuchen wir immer so, was gibt es noch für Möglichkeiten, dass wir uns da Unterstützung holen.
[Kati]
Und bei Pflegediensten, das ist ja manchmal ganz schwierig, weil einfach der Fachkräftemangel ziemlich zuschlägt. Wenn jetzt was ist bei euch in der WG und jemand jetzt irgendwie spontan, vielleicht auch nur kurzfristig, also für einen kurzen, überschaubaren Zeitraum mehr Pflege braucht, geht es dann, dass da jemand einfach öfter kommt von dem Pflegedienst oder müsst ihr dann da auch wieder auf die Suche gehen?
[Eva]
Das ist jetzt eigentlich sehr, sehr komplikationslos gegangen. Also das war eben auch, genauso wie du sagst, die Situation nach einer OP von einer Bewohnerin, die zurückgekommen ist und dann eben den Pflegedienst ganz kurzfristig für die Zeit, wo sie wieder in der WG war, gebraucht hat. Und das ging eigentlich relativ problemlos.
Wir wissen aber natürlich auch inzwischen, muss ich sagen, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen. Wir wissen, dass wir sofort, wenn ein Bewohner oder eine Bewohnerin von uns im Krankenhaus stationär ist, wir sofort mit dem Sozialdienst sprechen, denen sofort erklären, wer wir sind, dass wir ein ambulantes Angebot sind, ein inklusives Angebot sind, dass wir keine Pflegeeinrichtungen sind, weil es kommt auch sehr, sehr häufig vor, dass die Krankenhäuser Bewohnerinnen mit Behinderung frühzeitig oder früher als alle anderen entlassen möchten, weil sie sagen, die wohnen ja eh in der Pflegeeinrichtung. Also können wir die auch früher entlassen.
Auch teilweise noch mit, was weiß ich, mit Katheter oder mit Sondenernährung oder sonst was, was wir sagen, das können wir nicht. Aber wir wissen inzwischen, wir müssen sofort, wenn da jemand ist, sofort mit dem Sozialdienst Kontakt aufnehmen, sofort erklären, was wir sind. Und insofern klappt das inzwischen eigentlich relativ gut, dass wir dann auch Unterstützung bei der Entlassung oder nach der Entlassung bekommen.
[Kati]
Das ist gut.
Aber es ist auch super diskriminierend, dass Krankenhäuser so arbeiten. Also wenig verwunderlich, weil ich wurde tatsächlich auch schon so behandelt von Ärzten im Krankenhaus, obwohl ich halt völlig selbstständig lebe und bis vor Kurzem noch nicht mal einen Pflegegrad hatte. Also das ist dann A, aus welchem Pflegeheim ist sie?
Naja, gib ihr mal eine Infusion und dann schick sie wieder ins Pflegeheim. So, das war die Aussage in der Notaufnahme, wo ich da hatte, so ein Sack mal.
[Eva]
Ja, krass. Genau, das ist wirklich. Aber wir sind natürlich da auch Opfer, sage ich mal, unseres medizinischen Systems.
Und die haben auch Personalmangel in den Krankenhäusern. Ich meine, ich sage auch immer, wenn wir jetzt mit einem Bewohner oder einer Bewohnerin in die Notaufnahme müssen, was schon sehr, sehr häufig vorgekommen ist, das dauert ja auch immer sechs bis acht Stunden, bis dann überhaupt da was passiert. Und die Leute brauchen ja eine Begleitung und diese Begleitung muss finanziert werden.
Das ist auch, auch wenn ein Bewohner oder eine Bewohnerin im Krankenhaus stationär ist, braucht der eine Assistenz oder braucht die eine Assistenz dort. Und es ist unheimlich schwierig, das auch finanziert zu bekommen. Das ist auch ein Problem unserer Ressourcen dann, die wir als Mitarbeitende haben, ja.
[Kati]
So viele Punkte, die mich aufregen gerade. Ja, nein, das ist total unfair. Und an solche Sachen, da denkt halt auch niemand, der nicht so tief drinsteckt wie du zum Beispiel.
Also es ist halt Wahnsinn einfach. Ja, also, ich finde...
[Lena]
Ich finde, dass ihr jetzt ja auch schon in einer ganz, wenn man so sagen kann, glücklichen Lage seid, dass ihr euch auch schon länger mit diesem Thema auseinandersetzt und auch Netzwerke oder Kooperationen eingegangen seid und euch da auch umgeschaut habt, welche externen Stellen sind für uns denn auch wichtig und können wir hinzuziehen, um für uns auch weiterzukommen oder eine Entlastung auch zu bekommen. Aber an diesem Punkt sind ja auch viele Initiativen oder Gruppen noch nicht, da ist was vorgefallen. Zum Beispiel Angehörige sind plötzlich verstorben oder ein Mitbewohner ist verstorben oder wird einfach älter.
Und als Gruppe merkt man, oh, da muss man jetzt aktiv werden. Aber man hat dieses Netzwerk oder diese Kooperationen und die Unterstützung von außen noch gar nicht. Und das sich zu suchen, ich denke, das ist auch etwas, was lange Zeit brauchen kann, aber dann auch sehr wertvoll sein kann, wenn man es hat.
[Eva]
Ja, genau.
[Lena]
Ich glaube, das ist aber auch eine Herausforderung.
[Eva]
Ja, aber ich sage inzwischen auch wirklich immer, man muss auch Glück haben. Also es ist wirklich, es ist nicht selbstverständlich.
Und alleine zum Beispiel mit dieser Unterstützung durch die Palliativärztin, die wir jetzt haben und die unheimlich wertvoll ist für uns. Ich glaube, ein Kollege hat alle Arztpraxen in München durchtelefoniert, um zu fragen, ob es da einen Arzt gibt, der Hausbesuche machen würde und der eben genau das übernehmen würde, uns dazu beraten. Und hat niemanden gefunden.
Und dann kam es eigentlich eher per Zufall dazu, dass wir eben von dieser Ärztin gehört haben, die selber in Rente gegangen ist, selber eine Schwester hat mit einer Behinderung und gesagt, dass sie möchte sich da einsetzen und so weiter. Und so hat sich das dann ergeben. Also wenn irgendwas läuft, man braucht auch Glück.
Also man braucht auch wirklich Glück und Leute, die sich vielleicht auch dafür begeistern lassen, für so eine Idee. Ja. Aber was wirklich wichtig ist, ist, glaube ich, für alle Träger von inklusiven WGs, sich wirklich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, wie das im Alter sein kann, wie es weitergehen kann, ob sich auch ein Träger dafür verantwortlich fühlt oder diese Verantwortung auch übernehmen will.
Weil ihr seht schon, es sind ganz, ganz viele Sachen, die da auf einen auch zukommen, dieses Wohnen im Alter anzubieten. Oder ob man wirklich sagt, okay, wir haben jetzt inklusive WGs hauptsächlich für junge Menschen. Und im Alter müssen wir dann irgendwie nach was anderem suchen.
Aber bei uns war halt auch immer das Problem so, es gibt ja auch nicht wirklich die wirklich tollen Alternativen, wo wir sagen, wir könnten oder wir würden gerne unsere Bewohner oder Bewohnerinnen dahingehend beraten, dass sie dahin umziehen könnten, also in ein Pflegeheim oder so was. Also da sind wir auch nicht so, dass wir sagen, okay, wir haben ein super Pflegeheim und wir sagen, okay, da wäre es gut zu leben dann im Alter. Das kennen wir auch noch nicht so.
[Kati]
Ja, das ist ja dann auch wieder was ganz anderes in Bezug auf Selbstbestimmung, wenn man in einem Pflegeheim lebt, glaube ich, als in einer inklusiven WG.
[Eva]
Eben, deshalb gibt es nicht die wirklich tolle Alternative. Und ich glaube, das ist auch ein Grund, warum sich manche Teams dann auch selber überlasten, weil sie sagen, wir können nicht oder wir wollen unsere Bewohner und die Bewohnerinnen, die hier schon seit Jahrzehnten leben, nicht einfach irgendwo anders hingeben, wo wir nicht wissen, ob es ihnen dort in Richtung Selbstbestimmung und so weiter so gut geht wie hier. Also, ne?
[Kati]
Wie geht ihr damit um? Also setzt ihr euch wirklich mit jedem Bewohner, mit jeder Bewohnerin mal zusammen und überlegt so, wie kann es weitergehen, wenn du alt bist? Oder ist es besser, wenn man ein guter Zuhörer ist und zwischen den Zeilen ab und zu mal die Sachen aufschreibt und Notizen macht?
Wie kann man damit im Alltag gut umgehen?
[Eva]
Ja, also genau, ich glaube, es ist gut, sich immer wieder Notizen zu machen, weil ich merke, wenn wir, die wir wirklich sehr, sehr lange schon auch mit Bewohner und Bewohnerinnen zusammenleben und gerade natürlich auch die Studierenden, die auch sehr, sehr viel Zeit in der WG verbringen, wir wissen sehr, sehr viel, was uns Bewohner und Bewohnerinnen mit Behinderung so nebenbei irgendwie mal erzählt haben, was ihre Wünsche sind für ihr Alter, teilweise auch, was ihre Wünsche sind für ihre Beerdigung zum Beispiel, wer da dabei sein soll, wo das stattfinden soll.
Ähm, aber wir müssen uns wirklich dranmachen oder wir sind dabei, uns dran zu machen, das auch wirklich festzuhalten und das auch aufzuschreiben. Es gibt ja so Hefte Richtung Patientenverfügungen für auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen, dass wir solche Dinge, die wir erfahren und die wir eigentlich wissen, auch mal wirklich festhalten, weil wenn wir dann in einer Situation nicht da sind, dann weiß es im Notfall keiner so. Oder wenn Studierende dann, die sehr, sehr viel wissen, weil sie sehr, sehr lang schon da wohnen, dann nach fünf, sechs Jahren ausziehen, dann geht da auch ein ganz großes Wissen verloren, wenn das nicht irgendwo festgehalten ist.
Und da sind wir gerade dabei, uns da dran zu machen und so was auch festzuhalten, ja. Das ist ganz, ganz wichtig.
[Kati]
Mhm.
[Eva]
Ja.
[Kati]
Ja, cool. Lena, du hast mir... Nee, warte, du wolltest gerade was anderes sagen.
Nee, nee, passt. Gut, ich wollte gerade dazukommen. Du hast mir im Vorgespräch von kurzfristigen und von langfristigen Handlungsempfehlungen erzählt.
Genau, vielleicht kannst du mal erklären, was damit gemeint ist. Mhm.
[Lena]
Ja, ich habe in der Broschüre, die auch veröffentlicht wird, mal geschaut, was gibt es eigentlich auch für Tipps, die wir von Wohnsinn jetzt Gruppen raten können für den Notfall, also für kurzfristige Maßnahmen, etwas zu entwickeln und parat zu haben. Und welche Themen oder welche Punkte kann man auch längerfristig erarbeiten und dann parat haben. Und ja, das sind einfach so Tipps, die ich auch da zusammengestellt habe.
In der Broschüre, die dann auch, ja, wo man auch nachlesen kann, mhm.
[Kati]
Und mit wem hast du alles gesprochen, um diese ganzen Tipps zu erstellen? Weil ich kann mir vorstellen, du hattest da ganz schön viele Gesprächspartner.
[Lena]
Ja, ich hatte mit verschiedenen WG-Leitungen gesprochen und Mitarbeiterinnen, die in inklusiven Wohnformen arbeiten. Auch mit der Palliativmedizinerin, von der Eva schon berichtet hatte. Und ja, auch mit einer Autorin, die auch selbst Sozialarbeiterin ist und Gerontologin und sich mit diesem Thema Älterwerden, Sterben, Tod und Trauer auch viel auseinandersetzt und da auch viel Praxiserfahrung hat.
Und ja, so habe ich dann diese Sammlung eigentlich auch zusammengestellt.
[Kati]
Und die kann man sich bei Wohnsinn bestellen oder runterladen? Kannst du noch sagen, wo man die findet?
[Lena]
Ja, die gibt es einmal auf unserer Homepage dann zum Download. Aber wir werden die Broschüre auch in gedruckter Form zur Verfügung stellen, auch in leichter Sprache, sodass man diese auch heranziehen kann und mit ihr arbeiten kann und dann auch gut in der Praxis nutzen kann. Sehr cool.
[Kati]
Ich habe noch eine Frage an die Eva. Du hast von der WG in Riem erzählt, wo der Altersunterschied zwischen den Studierenden und den Bewohnern mit Behinderung teilweise ganz schön groß ist. Wie funktioniert da das Zusammenleben?
Weil die Interessen gehen ja vielleicht im Alter auch einfach woanders hin, als sie bei jemanden Mitte 20 waren. Wie gehen die miteinander um? Ja, das stimmt.
[Eva]
Also der älteste Bewohner in Riemen ist jetzt 74 und der jüngste Bewohner ist 22. Also schon wirklich ein sehr großer Altersunterschied, auch ein Generationenunterschied. Ich finde es unheimlich spannend, weil im Vorfeld, als wir uns da die ersten Gedanken drüber gemacht haben, war das immer so ein großes Thema.
So, ja, geht das denn überhaupt? Und ja, es geht. Es ist natürlich so, dass die Interessen auseinandergehen, dass die älteren Menschen auch mehr ein größeres Ruhebedürfnis haben, nicht mehr Party machen wollen bis in die Nacht.
Da ist natürlich eine große Frage, wie ist auch die räumliche Struktur in der WG? Gibt es auch so Ruhebereiche? Können die jüngeren Bewohner und Bewohnerinnen auch mal Party im Wohnzimmer machen und trotzdem ist es so leise, dass die älteren Bewohner und Bewohnerinnen sich zurückziehen können und schon schlafen gehen können und es ist aber nicht zu laut.
Das Glück haben wir, das geht eigentlich in Riemen sehr, sehr gut, weil wir eine sehr große WG haben. Wir haben auch bauliche Anpassungen gemacht. Tatsächlich, wir haben eine Zwischentür, eine zusätzliche Zwischentür eingezogen, die für mehr Ruhe sorgt.
Wir haben manche Wände dicker gemacht. Für einen zusätzlichen Lärmschutz und so. Also das kann man alles machen.
So für Ausflüge, es gibt immer noch sehr, sehr viele Ausflüge und auch WG-Urlaube, wo auch alle dabei sind. Ich glaube, es ist ein größerer organisatorischer Aufwand, um wirklich für alle, was dabei ist. Die älteren Herrschaften möchten dann gerne ein bisschen spazieren gehen, aber nicht zu weit und dann ins Café.
Und die jüngeren Bewohner und Bewohnerinnen möchten vielleicht ein bisschen mehr Action und möchten noch in den See springen und so. Also es ist von der Organisation her ein größerer Aufwand. Aber es gelingt immer wieder, so Momente zu schaffen, wo wirklich alle was davon haben, glaube ich.
Und wo auch jetzt Studierende, die jetzt nicht unbedingt im Dienst sind, gerne auf Ausflüge mitkommen, weil sie es auch cool finden. Und das freut mich immer total, wenn so was gelingt. Und zum anderen ist es ganz spannend, weil die ja in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen sind.
Also die Studierenden haben sehr, sehr viele Prüfungen, haben sehr viele Anspannungen, sind erst so dabei, in ihr Berufsleben hineinzugehen. Und da wird natürlich immer gefragt, schaffst du das, schaffst du das, schaffst du das? Und die älteren Bewohner und Bewohnerinnen haben da schon so eine Ruhe.
Also sie sind ja häufig schon in Rente, müssen jetzt nicht mehr in ihrem Leben so viel schaffen. Und ich finde das ganz spannend, dieses Zusammenleben. Ich glaube schon, dass da jeder von dem anderen auch was mitnehmen kann und was lernen kann.
Also wie gesagt, ich bin selber überrascht, aber die Studierenden, die jetzt in Riemen wohnen gerade, die sagen, sie möchten auch nicht in einer anderen WG wohnen. Das ist ihre WG und da sind sie glücklich und da fühlen sie sich wohl. Und das finde ich unheimlich schön.
[Kati]
Ja, ich glaube, dann macht ihr da konzeptuell auf jeden Fall was richtig. Ja. Wenn ihr jetzt all eure Erfahrungen, die ihr jetzt gesammelt habt, sei es im Projekt oder aus der Praxis, wenn ihr das mal jetzt runterbrecht, was würdet ihr sagen, ist der zentrale Tipp für jemanden, der jetzt vielleicht auch Fachkraft in einer inklusiven WG ist, wo Menschen älter werden?
[Lena]
Also ich würde sagen... Ach so, Eva, willst du?
[Eva]
Nö, fang du an, ist egal.
[Lena]
Okay. Ich würde sagen, mutig sein und dieses Themenfeld älter werden, Tod, Trauer, Sterben auch nicht so als Tabuthemen zu sehen, sondern den Mut haben, das auch für sich zu durchdenken, sich mit anderen darüber auszutauschen und einfach mal in eine Kommunikation miteinander zu gehen. Und auch vor allem das Zutrauen zu haben, dass auch die Menschen mit Behinderung oder auch jüngere Menschen sich sehr wohl mit diesen Themen auch auseinandersetzen können und da häufig auch schon eine Meinung dazu haben oder auch Menschen dazu befähigen, Infos zu erhalten, um sich eine eigene Meinung bilden zu können und dann auch eigene Entscheidungen treffen zu können.
Und was ich auch sehr, sehr wichtig finde, ist, dass man sich als Verantwortliche dahingehend mit beschäftigen sollte, welche Haltung wollen wir haben, welche Haltung wollen wir entwickeln für uns, um überhaupt Rahmenbedingungen zu schaffen und Strukturen zu schaffen, überhaupt in der Lage zu sein, auch dieses Wohnen im Alter ermöglichen zu können. Sonst hat man gar nicht so Handlungsspielräume, wenn man sich nicht auch längerfristig damit auseinandersetzt. Und ich glaube, ganz viel ist möglich, wenn man es möchte.
Und dann kann man aber auch eine eigene Haltung haben und auch alle Konsequenzen, die das dann damit herzieht oder nach sich zieht, dazu stehen und dann Wege finden, wie auch immer die aussehen.
[Eva]
Ja, das denke ich auch. Das ist unheimlich wichtig. Ich habe in meinem Palliativkurs, den ich gemacht habe, habe ich gelernt, und das zitiere ich so sehr gerne, weil das so sehr stimmt, wenn man Palliativversorgung, also Versorgung auch im Alter und mit schweren Erkrankungen und bis hin zum Tod anbieten möchte, dann müssen alle mitziehen, und zwar von der Geschäftsführung bis zur Putzfrau.
Und das geht auch auf diese Haltung ein, von der du gesprochen hast, Lena. Es braucht eine ganz klare Entscheidung von allen, ob man das möchte oder ob man das nicht möchte. Und ich glaube, man muss wissen, es stecken da Herausforderungen drinnen.
Es ist nicht einfach, überhaupt nicht. Aber wenn man sich diesen Herausforderungen stellt, möchte, dann müssen wirklich alle, die da beteiligt sind, daran mitziehen und da mitmachen. Und es braucht, das ist ganz, ganz wichtig, eine klare Entscheidung von allen, wollen wir das oder wollen wir das nicht?
Wollen wir uns dem stellen oder wollen wir das nicht? Das ist das eine, was unheimlich wichtig ist. Und auch frühzeitig schon, nicht erst dann, wenn die erste schwere Erkrankung da ist, sondern wirklich schon im Vorfeld.
Und das Zweite, was unheimlich wichtig ist oder mir unheimlich wichtig ist, ist dieser Aufbau von einem Netzwerk. Es gibt viele unheimlich tolle Initiativen. Alleine, wenn ich jetzt hier in München schaue, es gibt von der Seite der Palliativversorgung her ganz viele Menschen, die sich auch einsetzen wollen für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die das auch als ihr Arbeitsfeld sehen.
Es gibt in der Pflege immer wieder tolle Menschen, die Lust haben auf inklusives Wohnen und die sagen, okay, das ist toll, was ihr da macht. Es gibt tolle Leute in der Medizin, auch wenn nicht immer alles gut läuft, wo man das Glück auch haben muss, die zu finden, wie ich vorher schon gesagt habe. Also es ist ganz, ganz wichtig, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, rauszugehen, ein Netzwerk zu bilden und nicht in seinem eigenen Kämmerchen zu sitzen und sich nur zu überlegen, was alles nicht geht.
[Kati]
Ja, ich glaube, dann kommen wir auch schon langsam zum Ende von unserer Sendung heute. Dann möchte ich mich erst mal ganz herzlich bei euch beiden bedanken für die Zeit und die ganze Arbeit, die ihr macht, weil es ist super wichtig und schön, dass ihr das so aufbereitet, dass es die Leute jetzt auch einfach sich runterladen können und verstehen können und damit arbeiten können. Und ja, vielen Dank für die Aufnahme heute.
[Eva]
Danke dir auch, Kati.
[Lena]
Danke dir auch.
[Eva]
Ciao.
[Lena]
Ciao.
[Kati]
Tschüss.
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