Genossenschaftlich inklusiv wohnen - Gäste: Samuel Flach & Pia Wagner

Shownotes

In München-Haidhausen entsteht ein Ort, der eine ganzheitliche Lösung für die großen Herausforderungen unserer Zeit anstrebt: Das Haus wird mit recycelten Materialien erbaut. Die Bewohnerschaft ist inklusiv und divers zusammengesetzt. Über einen „Community Space“ im Erdgeschoss wirkt das Haus in die Nachbarschaft hinein. Durch die Selbstverwaltung werden Verantwortungsübernahme und Mitwirkung aller Beteiligten sichergestellt. Seit 2015 entwickeln die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner das Konzept, voraussichtlich 2026 ist das Haus fertig für den Einzug.
Gründer Samuel und Mitstreiterin Pia stellen im Podcast ihr inklusives Haus vor.

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Willkommen im Miteinander – der Podcast zu inklusivem Wohnen

Folge 4: Genossenschaftlich inklusiv wohnen - Gäste: Samuel Flach & Pia Wagner

[Kati]

Willkommen im Miteinander, der Podcast zu inklusiven Wohnen. Hallo, ich bin Kati und du hörst den Wohnsinn-Podcast.

Der Verein Gemeinwohlwohnen schafft in München gerade ein Wohnprojekt, das sich gleich mehreren Herausforderungen unserer Zeit stellt.

Das Haus wird zum einen mit recycelten Materialien erbaut, zum anderen ist die Bewohnerschaft inklusiv und divers zusammengesetzt. Über einen Community-Space kann das Haus sogar bis hinein in die Nachbarschaft wirken. Gründer Samuel und Mitstreiterin Pia stellen im Podcast ihr inklusives Haus vor.

Wie finanziert sich das Projekt? Wie können im Planungsprozess eines Bauvorhabens alle Stimmen gehört werden? Und wie gelingt innerhalb der Projektgruppe ein Umgang auf Augenhöhe von mehrfach marginalisierten Menschen?

Das könnt ihr jetzt herausfinden und, wenn ihr möchtet, das Projekt sogar mit einer Spende an unser gemeinsames Sondervermögen mit der Stiftung TRIAS unterstützen.

Viel Spaß beim Hören der Folge.

Hallo Samuel, hallo Pia.

Heute sprechen wir über euer Münchner Wohnprojekt, das ihr gerade gründet. Wollt ihr euch vielleicht selber einfach mal vorstellen und was eure Funktion in eurem Projekt ist?

[Pia]

Ja, hallo Kati, wir freuen uns, dass wir heute hier in deinem Podcast sein können. Ich heiße Pia und ich bin seit Oktober bei Gemeinwohlwohnen und arbeite im Büro-Team.

[Samuel]

Und ich bin Samuel und ich bin eigentlich seit Beginn mit dabei und habe das mit anderen Menschen gegründet. Also das war jetzt vor acht Jahren.

[Kati]

Genau, ich wollte nämlich gerade sagen, der Beginn ist ja schon ganz schön lange her. Da haben wir uns nämlich tatsächlich auch schon kennengelernt. Ich glaube, das war 2016, müsste das gewesen sein.

Da war Wohnsinn auch erst so ein loser Zusammenschluss eigentlich. Der bestand eigentlich nur aus dem Tobi, dem Gründer und ein paar Ehrenamtlichen wie zum Beispiel mir. Und da hast du, glaube ich, Kontakt mit Tobi aufgenommen und einfach so zum Vernetzen.

Und dann haben wir uns zu dritt mal getroffen an der LMU, da in diesem Café, im Lost Weekend.

[Samuel]

Ja, genau. Stimmt, da erinnere ich mich auch.

[Kati]

Ja, und ich weiß gar nicht, ob ich dir das jemals erzählt habe, aber immer, wenn ich von deinem Projekt höre oder von dir oder irgendeine Geschichte, dann habe ich sofort wieder einen Ohrwurm von dem Lied, was wir damals gehört haben in dem Café. Das lief da einfach im Radio. Das war Modern Jesus von Portugal, The Man.

Das ist immer in meinem Kopf, wenn ich an euch denke. Das ist mir beim letzten Mal, wo ich die Anmoderation und alles geschrieben habe, habe ich das Lied nochmal angehört. Und da ist mir eine Textzeile dann so in den Kopf gesprungen.

The only rule we need is never giving up. The only faith we have is faith in us. Und dann dachte ich mir so, ja geil, passt halt irgendwie auch zum Projekt.

Finde ich jetzt gar nicht so schlecht. Ihr habt ja wirklich vor langer, langer Zeit angefangen und habt, glaube ich, da viel Glauben in euch selbst gebraucht, um das durchzuziehen.

[Samuel]

Ja, ich habe letztens mal gesagt, eigentlich hätte ich gewusst vor acht Jahren, wie lange das braucht und wie schwierig das wird. Ich hätte vielleicht nie angefangen, aber ich wusste es nicht und dachte, das geht ganz schnell. Deswegen habe ich angefangen.

[Kati]

Ja, voll gut, dass du angefangen hast. Denn vor kurzem war euer Spatenstich oder wie war das mit dem Spatenstich?

[Samuel]

Naja, wir haben ihn Späterstich statt Spatenstich genannt, weil letztendlich brauchen die Dinge ja dann doch immer länger, als man denkt. Und es steht jetzt auf jeden Fall fest, dass dieses Haus gebaut wird, aber eben erst im September. Und dann hatten wir aber schon einen Termin, wo wir feiern und dann haben wir den Späterstich genannt.

Und das war ein sehr schönes Event.

[Pia]

Genau, zwar nicht mit offiziellem Spatenstich, aber eine sehr schöne Feier.

[Kati]

Wie hat sich das für euch angefühlt, dass ihr da jetzt gemeinsam mit einem Beteiligten feiert, nach so vielen Jahren?

[Pia]

Also, es war wirklich schön. Wir hatten auch eigentlich mit Regen gerechnet und dann war es strahlender Sonnenschein und das Grundstück war richtig schön geschmückt. Und es kamen immer mehr Menschen, auch Menschen, die wir kennen, Menschen, die einfach im Vorbeilaufen dazugekommen sind.

Und das war ein sehr, sehr schönes Gefühl.

[Samuel]

Ja, und es gab Essen gekocht von Mary und Menschen, die was mitgebracht haben. Mary kommt aus Uganda. Wir hatten Musik, Operngesang von Maria Rosé, die auch von Anfang an schon mit dabei war, immer mal.

Es gab Reden, wir haben eine gemeinsame Rede gehalten. Ja, es war insgesamt ein sehr schönes Event.

[Kati]

Ach, cool. Ja, ich war leider nicht dabei, aber es fuchst mich ein bisschen.

[Pia]

Tobias war ja dabei und hat Wohnsinn vertreten.

[Kati]

Genau, der war da. Das war sehr gut. Wie ist euer Projekt denn entstanden?

Vor sehr langer Zeit haben wir gerade schon gesprochen. Von wem kam die Idee?

[Samuel]

Es gibt ganz viele Geschichten, wie es entstanden ist, denke ich. Es gibt so viele Geschichten, wie es Menschen gibt in der Gruppe. Wenn ich jetzt meine persönliche Geschichte erzähle, dann war es so, dass ich einen Rollstuhl nutze und Hilfe brauche, um aus dem Bett zu kommen.

Und es war so, dass ich eines Morgens im Bett lag und festgestellt habe, dass ich vergessen hatte, dass ein Assistenzmensch von mir im Urlaub ist und der nicht kommt. Und meine Mitbewohnerin war weg. Und dann lag ich da im Bett und habe gecheckt, dass ich nicht aus dem Bett komme den ganzen Tag.

Mein Handy war aus. Dann habe ich mir gedacht, ich brauche eigentlich eine richtig große WG oder ein ganzes Haus, wo immer jemand da ist. Und so will ich leben.

Und dann habe ich angefangen, so eine Mail rumzuschreiben an lauter Freunde und Freundinnen mit dieser Idee. Und da waren viele Leute sehr begeistert. Dann war das aber alles ein bisschen schwieriger als gedacht, einen Wohnraum zu finden und so weiter.

Dann war damals der Sommer, wo sehr viele geflüchtete Menschen nach Deutschland kamen, 2014, 2015. Und dann haben wir uns gedacht, hey, lass uns doch ein Konzept draus machen, dass einfach Menschen mit Behinderung, Menschen ohne Behinderung, geflüchtete Menschen zusammenwohnen und sich gegenseitig unterstützen. Und da haben wir dann eben einen Verein gegründet, eine Webseite gebastelt und sind so mit der Stadt und verschiedenen Leuten ins Gespräch gekommen.

Letztendlich sind wir aber im Kreis gelaufen, weil das Amt für Migration hat gesagt, das hat mit Behinderung zu tun. Was haben wir damit zu tun? Und das, was sich um Behinderung kümmert, hat gesagt, das hat doch mit günstigen Wohnen zu tun.

Man müsste zum Wohnungsamt gehen und das Wohnungsamt hat gesagt, das hat doch mit Migration zu tun. Und so sind wir quasi im Kreis gelaufen. Das hat sich sehr in die Länge gezogen.

Wir haben dann irgendwann einfach angefangen, eher so Veranstaltungen, Bildungsveranstaltungen zu machen zu dem Thema. Und dann ist irgendwann ein Bauunternehmer auf uns aufmerksam geworden, hat uns gefragt, ob wir das zusammen machen wollen. Das war so 2017, 2018.

Und dann haben wir eigentlich für zwei Jahre daran gearbeitet, das mit dem zu machen. Das war so ein Luxusbauunternehmen. Wir wären quasi so das soziale Feigenblatt gewesen bei dem.

Aber es hat nicht geklappt. Der hat dann eines Tages uns einfach fallen lassen und wir haben nichts mehr von dem gehört, der ganzen Kooperation. Und dann hat sich eigentlich, war das wie ein Scheitern.

Die Gruppe hat sich aufgelöst. Ich wollte auch schon alles hinwerfen und so. Und dann kam eben 2020 die große Überraschung, dass sich Markus von der Kooperative Großstadt, einer Genossenschaft, hat dann gesagt, dass er sich gerne mit uns mit Gemeinwohlwohnen auf ein Grundstück bewerben würde, was frei wird.

Und das ist eben das Grundstück in der Metzgerstraße, wo wir jetzt ein Haus bauen.

[Kati]

Ja, cool. Und wie ist die Baugenossenschaft auf euch aufmerksam geworden? Ist es durch eure Bildungsveranstaltungen gekommen oder von anderer Stelle?

[Samuel]

Na, weil wir schon damals uns vernetzt haben mit ganz vielen Menschen, unter anderem auch dieser Genossenschaft. Und damals war es so, dass wir aber festgestellt haben, die große Hürde ist eben diese Einlage, die Wohneinlage aufzubringen, die bei Genossenschaften da ist, wo eben jeder Mensch eine Einlage machen muss. Und weil wir damals auch einfach noch jünger und noch nicht so weit in der Gruppe waren, haben wir gesagt, das können wir nicht stemmen.

Und das fand dann schon damals die Genossenschaft traurig. Und dann haben wir nochmal eine Veranstaltung gemacht, wo wir gesagt haben, hey, wie wäre es denn, ein anderes Finanzierungskonzept zu machen, in dem nicht jeder individuell die Einlage aufbringt, sondern eine Gruppe als Ganzes gemeinsam eine Einlage aufbringt und das solidarisch macht. Und da kam eben auch Markus dazu.

Ich glaube, das war dann so ein Anstoß, dass er dann an uns gedacht hat, als er das Grundstück gesehen hat.

[Kati]

Ja, cool.

[Pia]

Das heißt, ihr hattet auch die Idee, die Menschen in der Gruppe, die mehr zahlen können, zahlen mehr und die, die weniger zahlen können, weniger. Und insgesamt ergibt sich aber der Betrag.

[Kati]

Ja. Ah, okay, ja gut. Das ist, glaube ich, auch relativ einzigartig.

Das habe ich zumindest sonst noch nie gehört, dass man sich dann gegenseitig so auffängt.

[Samuel]

Ja, ich finde das sehr wichtig, weil gerade für behinderte Menschen und geflüchtete Menschen, die jetzt vielleicht nicht so viel Eigenkapital haben, ist das total ein Ausschlusskriterium oft, um in Genossenschaften zu ziehen, diese Einlage.

[Kati]

Wenn jetzt jemand selbst das Geld nicht aufbringen kann, um der Genossenschaft beizutreten, da gibt es ja dann auch noch eine Unterstützung von der Stiftung Trias, nämlich ein Sondervermögen, durch das wir quasi auch von Wohnsinn aus Partner sind von euch, von Gemeinwohlwohnen. Wollt ihr das Sondervermögen kurz erklären, wie das funktioniert?

[Samuel]

Ja, richtig gerne. Also das ist ja so, dass eben, wie ich das schon erklärt hatte, Menschen, die halt kein Eigenkapital haben, also viele behinderte Menschen, vom genossenschaftlichen Wohnen ausgeschlossen sind, weil es eben schwierig ist, das Eigenkapital aufzubringen und das auch von den Ämtern in der Regel nicht übernommen wird. Und so gab es jetzt eben von der Stiftung Trias ein Sondervermögen über 100.000 Euro, was geschaffen wurde. Und was jetzt eben über euch auch, über Wohnsinn, bei uns gelandet ist. Und dieses Vermögen benutzen wir jetzt, um eine alleinerziehende Mutter mit einem behinderten Kind zu unterstützen, dass sie einziehen kann. Und letztendlich ist es so, dass man ungefähr so für eine Wohnung oder ein Zimmer so 64.000 Euro bräuchte. Und diese Mutter mit den Kindern bräuchte zwei Zimmer und hat jetzt eben über das Sondervermögen, 100.000 Euro wurden dazu gestiftet. Und insgesamt bräuchten wir da 130.000, da fehlt jetzt noch ein bisschen was, um die komplett zu unterstützen.

[Kati]

Ja, drücken wir mal die Daumen, dass die Summe schnell zusammenkommt.

[Samuel]

Ja.

[Kati]

Und die Leute, die von Anfang an dabei waren, hast du gesagt, 2017 war ja so dieser Punkt, wo ihr dachtet, ihr scheitert. Sind dann da einige abgesprungen oder sind das größtenteils immer noch die Leute, mit denen ihr dann ab 2020 weitergearbeitet habt?

[Samuel]

Nee, da sind viele abgesprungen. Also ich war eigentlich, ich stand so ein bisschen allein da dann. Und viele sind auch woanders hingezogen oder es hat einfach zu lang gedauert.

Oder ihnen war es zu viel, auch in einer Gemeinschaft zu wohnen, in so einer engen Gemeinschaft, die Vorstellung. Dann, als wir das Grundstück bekommen haben, haben wir eigentlich eine neue Bewohner-Bewohni-Gruppe aufgebaut.

[Kati]

Ah ja, spannend. Und stehen inzwischen alle Leute fest, die dort einziehen wollen, sollen, möchten?

[Pia]

So ziemlich. Also wir sind jetzt elf feste Menschen in der Bewohni-Gruppe. Mhm.

Genau, schon eine ganz bunte Gruppe. Jüngere und ältere Kinder sind mit dabei. Mhm.

Genau, damit sind wir schon ganz gut belegt. Natürlich ändert sich auch ab und zu nochmal, was weiß ich, einfach ein langer Prozess ist. Und bei manchen Menschen ändern sich dann doch nochmal die Vorstellungen, wie sie leben sollen.

[Samuel]

Insgesamt können wir in einem Haus so 15, 16 Menschen sein. Genau, und wir machen das immer so, wenn jemand bei uns irgendwie Interesse hat, da zu wohnen, dann kann der uns einfach, der Menschen, schnell im E-Mail schreiben und sagen Hallo.

[Pia]

So und so.

[Samuel]

Genau, und ich interessiere mich bei euch zu wohnen aus diesen und jenen Gründen. Und dann haben wir so eine Liste, wo alle Menschen, die interessiert sind, eben drin stehen. Und dann machen wir eine Auswahl von denen, wo wir das Gefühl haben, die passen gut rein.

[Kati]

Ah, cool, okay. Und die Bewohnis, wie ihr sagt, die habt ihr über eure Vernetzungstätigkeiten dann gefunden? Oder wie darf man sich das vorstellen?

[Samuel]

Wir haben dann überlegt, dass es eigentlich extrem wichtig ist, dass von vornherein in der Gruppe betroffene Menschen mit dabei sind. Also dass auf jeden Fall Menschen mit Behinderung mit dabei sind und dass auch geflüchtete Menschen von vornherein mit dabei sind. Und letztendlich waren dann Lorenz und ich, wir kannten uns schon ein bisschen, also Lorenz nutzt auch einen Rollstuhl, der war dann mit in der Bewohni-Gruppe.

Und ich habe dann noch eigentlich im Freundeskreis herumgefragt, ob jemand geflüchtete Menschen kennt, für die sowas interessant sein könnte. Und so sind wir dann auf Julien, Juliana und Agatha gekommen. Die Juliana ist jetzt auch immer noch dabei und Agatha ist mittlerweile raus.

Aber so haben wir dann von vornherein einfach schon eine diverse Zusammensetzung in der Gruppe gehabt. Und ich denke, das ist ganz wichtig.

[Kati]

Habt ihr, nachdem du gemerkt hast, dass viele Leute abgesprungen sind, zum Teil auch, weil sie gemerkt haben, dass es ja schon sehr enges Zusammenleben ist, in so einem engen Verbund, hast du da irgendwelche Kriterien aufgestellt, was euch vereinen sollte als Gruppe? Oder ging es da eher nach Sympathie oder hattest du da irgendein Vorgehen?

[Samuel]

Ja, ich habe schon jetzt den Menschen, die dazugekommen sind, oder da haben wir immer wieder Gespräche darüber gehabt, dass es ganz wichtig ist, so Sachen wie Bereitschaft in Gemeinschaft wohnen zu wollen, die Konfliktfähigkeit auch mit Konflikten und mit Kritik umgehen zu können, eine gewisse Selbstständigkeit, also gar nicht, dass man jetzt im Alltag alles alleine machen muss, sondern dass man seine eigenen Bedürfnisse und Grenzen irgendwie wahrnehmen und äußern können muss, weil sonst ist es schwierig in so einem selbstorganisierten Rahmen.

[Kati]

Und war dir von Anfang an oder wie schnell war dir klar, dass ihr eigentlich selbst bauen müsst, dass ihr ein Grundstück braucht, weil es so eine Immobilie vielleicht noch gar nicht gibt, die ihr nutzen wollt?

[Samuel]

Also als wir uns auf das Grundstück beworben haben, war es ja klar, dass das ein Neubau werden würde. Eigentlich, ich habe nur so halb dran geglaubt, dass das was wird. Und wir haben dann losgezogen.

Also da haben sich ganz viele Initiativen drauf beworben, über ich glaube 16 Initiativen und 10 wurden eigentlich mit der maximalen Punktzahl genommen und dann gab es ein Losverfahren und dann wurden wir da ausgelost. Das war dann die große Freude und dann war klar, okay, wir bauen da jetzt ein Haus. Und dann haben wir eigentlich sehr schnell gegenüber der Genossenschaft eben gesagt, hey, das ist nicht sinnvoll, wenn es da jetzt ein Stockwerk gibt, was irgendwie inklusiv ist.

Das ist genau das, was immer das Problem ist oder was es ja schon viel gibt, inklusive WGs, wo dann oft Menschen mit Behinderungen vielleicht mit ein bisschen Unterstützung wohnen, aber das ist nicht in die Hausgemeinschaft unbedingt so integriert. Und deswegen haben wir gesagt, eigentlich wollen wir von vornherein das ganze Haus gestalten.

[Kati]

Cool und dafür war die Baugenossenschaft dann auch sofort zu haben.

[Samuel]

Es hat ein bisschen gebraucht, wir haben ein bisschen an sie hingearbeitet, aber irgendwann haben sie es verstanden.

[Kati]

Ja, ist auch cool. Und jetzt baut ihr ein Haus, das auf allen Etagen inklusiv ist und für jeden zugänglich und wo sich jeder frei bewegen kann.

[Samuel]

Ja.

[Pia]

Und im Erdgeschoss wird ja auch ein Community Space sein. Das heißt, es ist auch ein offener Raum für Menschen, die nicht im Haus wohnen, die aus der Nachbarschaft kommen, wo Veranstaltungen stattfinden. Also genau, es soll wirklich ein Haus für alle sein.

[Kati]

Ja, super. Und ihr habt den Wohnraum, das Haus nach euren Bedürfnissen entwickelt und zwar habt ihr damit so einen neuartigen Planungsprozess für Architektur experimentiert, kann man vielleicht sagen. Das nennt sich Open Plan, Open Decision.

Könnt ihr mal erklären, was genau das ist?

[Samuel]

Also das wurde auch von der Genossenschaft Kooperative Großstadt mitentwickelt und uns eben gemeinsam. Und das Ziel war eigentlich, dass wir von vornherein alle Menschen, die dort einziehen und die Bedürfnisse sehr stark einbinden, in die Planung und den Entwurf von dem Haus. Das war das eine Ziel und das andere, dass es eben kein Wettbewerbsprozess ist.

Also normalerweise gibt es ja im Architektur so Ausschreibungen und dann bekommen diejenigen, die irgendwie den besten Vorschlag machen, bekommen den Aufschlag und bekommen Geld. Und genau das wollten wir in dem Prozess nicht. Das heißt, es wurde ein Prozess gemacht, in dem alle Menschen Vorschläge einbringen könnten, wie verschiedene Teile von dem Haus, der Innenausbau, die Struktur und so weiter, das Dach, wie das aussehen könnte.

Und für jeden Vorschlag, den man eingereicht hat, hat man ein bisschen Geld bekommen und wir konnten auch Vorschläge einreichen als Nicht-Architektinnen. Dann gab es ein Treffen, wo aus diesen Vorschlägen eine Synthese erarbeitet wurde. Das war so dreiteilig.

Das wurde dann Schritt für Schritt über mehrere Monate hinweg eingedampft und dann kam eben ein Vorschlag raus. Das ist jetzt der Vorschlag, der gebaut wird.

[Pia]

Es gibt natürlich auch immer wieder noch mal kleine Fragen, die aufkommen. Ich erinnere mich an ein Treffen, da war ich noch relativ neu dabei, wo wir sehr lange über eine Badewanne diskutiert haben. Ob eine Badewanne in das Bad soll oder nicht.

Was aber auch wirklich schön ist, weil das hat auch was von einem Kindheitstraum, dass man mit seinen Freundinnen zusammensitzt und überlegt, was bauen wir hier in das Bad? Wollen wir eine Badewanne oder nicht?

[Kati]

Und ist am Schluss eine Badewanne draus geworden oder nicht?

[Samuel]

Ich weiß es nicht, aber wir haben eine Badewanne. Die Entscheidung war jetzt, dass es eine große Badewanne gibt, auf dem Stockwerk, auf dem auch die Kinder wohnen werden, weil das für die interessant ist und dass dann aber alle anderen die Badewanne auch nutzen können.

[Pia]

Eine Gemeinschaftsbadewanne.

[Kati]

Ja, cool. Wie ist das vom Haus aufgebaut? Wollt ihr mal ein bisschen Stockwerk für Stockwerk vielleicht einfach mal so virtuell durchführen?

[Pia]

Unten geht es ja los mit dem Community Space. Das ist das Erdgeschoss. Das ist einer der wenigen Veranstaltungsräume in München mit einer barrierefreien Toilette.

Erstaunlicherweise, erschreckenderweise.

[Samuel]

Erschreckenderweise, ja.

[Pia]

Erfreulicherweise, dass es dann einen gibt. Da dürfen Workshops stattfinden, Veranstaltungen, Musik, gemeinsames Kochen, gemeinsamer Austausch. Das wird das Erdgeschoss sein.

[Samuel]

Dann geht es nach oben und da ist es so, dass es natürlich einen Aufzug gibt und das Besondere ist, der Aufzug führt direkt in die Wohnungen. Also es ist nicht so, dass der Aufzug auf dem Treppenhaus draußen ist, sondern der führt wirklich direkt in die Wohnungen, weil wir gesagt haben, doch praktisch, wenn das so ist und da nicht noch eine Tür da ist.

[Kati]

Wie in den ganzen amerikanischen Filmen, wo man ins Penthouse gleich mit dem Schlüssel hochfährt im Hotel.

[Samuel]

Genau. Da haben wir dann so Chips und können quasi den Aufzug ansteuern auf die entsprechenden Stockwerke. Und auf den Stockwerken ist es dann so, es gibt immer so drei Zimmer, wo dann Leute in einer WG wohnen und ein Bad und eine Küche und dann noch einen Extraraum und dieser Extraraum, der kann dann irgendwie auf verschiedene Art genutzt werden.

[Pia]

So als Büro zum Beispiel als gemeinsames oder Ruheraum oder Kunstatelier oder was die Menschen auf dem Stockwerk sich wünschen.

[Kati]

Und es ist dann quasi jedes Stockwerk in sich eine WG und ihr könnt euch dann auch alle gemeinsam im Gemeinschaftsraum verabreden und dann seid ihr halt ein großes WG-Haus.

[Samuel]

Genau. Also die Idee ist, dass es eigentlich schon in erster Linie eine Hausgemeinschaft ist. Also dass jetzt nicht alle WGs nur für sich bleiben, sondern dass es gemeinsame Treffen und Aufgaben gibt und auf jeden Fall der Community-Space als ein Ort.

Aber wir wollen auch ein Stockwerk so machen, dass dann ein größerer Wohnraum oder Küche ist, damit wir uns auch dann dort treffen können, wenn jetzt im Community-Space gerade eine Veranstaltung ist, die vielleicht ein bisschen von außerhalb ist und man gerade keinen Bock hat, sich in das große Gewühl zu mischen.

[Pia]

Verständlich. Es wird natürlich ein Hotspot von München, deswegen wird da immer viel los. Ganz klar.

Da brauchen wir noch kleine Rückzugsräume.

[Samuel]

Es wird der neue intersektionale Fancy-Space.

[Pia]

Barrierefrei.

[Samuel]

We are intersektional. Crib-Space. Alles.

[Pia]

Also was München noch braucht. Ja, auf jeden Fall.

[Kati]

Das ist tatsächlich ein bisschen Mangelware. Und insgesamt sind es wie viele Etagen dann?

[Samuel]

Es sind sechs Etagen mit dem Dachgeschoss. Im Dachgeschoss sind nur zwei Zimmer. Das ist ein bisschen anders.

[Kati]

Ja gut, da wird nicht so viel Platz sein dann. Ich bin vor zwei Jahren mal ein bisschen vorbeigesneakt in der Metzgerstraße und habe einen Blick auf eure Baulücke geworfen, weil ich mir das einfach mal anschauen wollte, wo das Ganze entstehen wird. Ich habe gesehen, die Baulücke ist ja von der Grundfläche her gar nicht so groß, oder?

[Pia]

Nein, genau. Wir sind jetzt genau zwischen zwei Wohnhäusern und bauen deswegen dann auch eher in die Höhe, weil die Lücke wirklich schmal ist.

[Kati]

Und das war bisher einfach leerstehend seit immer? Oder was war da vorher?

[Pia]

Seit mehreren Jahrzehnten leerstehend, genau. Und das Grundstück ist eben ausgeschrieben für genossenschaftliches Bauen und Wohnen von der Stadt München und stand aber wirklich mehrere Jahrzehnte einfach leer.

[Samuel]

Ja, es gab mal so eine, ich glaube, das war eine Wäscherei dort, aber das war nur ein Gebäude mit nur einem einzigen Stockwerk. Und davor war es wahrscheinlich noch vor dem Krieg eine Lücke.

[Kati]

Ja gut, Glück für euch, dass da eine Baulücke war. Genau, eine Sache, die euch ja auch sehr wichtig ist neben Inklusion und Diversität, ist ja die Nachhaltigkeit. Ihr baut irgendwie mit sehr vielen nachhaltigen Baumaterialien.

[Pia]

Genau, also es werden zum Teil, zum Beispiel die Fassade wird aus Materialien gebaut, die schon mal verwendet wurden, also die schon mal Teil eines Gebäudes waren, einfach jetzt wiederverwendet werden in unserem Haus. Und worauf auch geachtet wird, ist, dass das rückbaufähig ist, also dass alle Dinge, auch wenn das Haus aus irgendeinem Grund jemals abgebaut werden sollte, dass die dann auch wiederverwendet werden können, die Materialien.

[Samuel]

Man muss sich das so vorstellen, dass es jetzt quasi so städtische Minen, nennen wir das, gibt. Das sind dann Baustellen, wo irgendwie Baustoffe drauf sind, die wir wieder in dem Haus gut einbauen können. Und die sind dann kartografiert, was da für Baustoffe drin sind.

Und wenn jetzt das Haus dann gebaut wird, dann werden die da rausgeholt und wieder in unser Haus eingebaut. Ah, spannend.

[Pia]

Ich bin gespannt, wie das dann tatsächlich aussehen wird. Was wir da aus den alten Baustellen zusammenschustern.

[Samuel]

Klebt dann so eine Kloschüssel an der Decke oder so.

[Kati]

Gibt es da schon einen optischen Entwurf von einem Architekten, wie das Ganze aussehen wird? Und habt ihr diese Baumaterialien schon? Oder wird das halt im Laufe des Prozesses erst dann gesucht und verbaut?

[Samuel]

Wir haben einen Entwurf, der auch so ein bisschen grafisch ausgestaltet ist. Aber ich meine, wie es dann am Ende ausschaut, das werden wir sehen. Und es gibt eben auch schon eine Fassade, die wir gekauft haben, aus Darmstadt, von einem Gebäude.

[Kati]

Ach, verrückt, ihr habt eine ganze Fassade gekauft?!

[Pia]

Ein Entwurf davon ist auf unserem Instagram zu sehen.

Aber man kann es sich vorstellen, aber irgendwie halt auch nicht so richtig, wie das dann letztendlich aussieht.

[Kati]

Okay, ich bin gerade immer noch an der Information hängen geblieben. Ihr habt eine ganze Fassade in Darmstadt gekauft. Wie kommt die Fassade von Darmstadt nach München?

[Samuel]

Ich würde sagen, mit auch irgendeinem Transporter.

Wahrscheinlich so einzeln, Stockwerk für Stockwerk getrennt, oder?

Die Fassade, das sind ja dann vor allem die Fenster und die Rahmen von außen, was da von außen dran ist. Das wird dann irgendwie auseinandergebaut und die gut verwendbaren Materialien weiterverwendet.

[Kati]

Okay, ja, krass.

Okay, das muss ich noch kurz verarbeiten.

[Samuel]

Wir hoffen, es ist dann nicht wie in so einem Western, dass dann am Ende nur die Fassade dasteht.

[Kati]

Aber das habe ich ja tatsächlich auch schon öfter mal bei Baustellen gesehen. Wenn irgendwie die Fassade denkmalgeschützt ist oder so, also das schätze ich mal ist der Grund, dann wird das Haus dahinter entkernt und irgendwie abgerissen, aber die Fassade wird erhalten. Das habe ich in München schon bei zwei, drei Baustellen mal gesehen.

Und dann wird einfach dahinter ein neues Haus gebaut, aber die Fassade bleibt quasi die alte, damit das Stadtbild sich nicht verändert.

[Pia]

Ja, also wir freuen uns auf jeden Fall, wenn wir auch ein Dach haben und die entsprechende Infrastruktur.

[Kati]

Ja, cool. Dann nochmal zu der Baugenossenschaft. Die ist, also die kooperative Großstadt, ist sie auch dann gleichzeitig der Bauherr?

[Samuel]

Ja, genau, die ist auch Bauherrin von dem Ganzen und auch Eigentümerin dann von dem Haus und wird das dann an uns weitervermieten mit einem Generalmietvertrag. Und wir vermieten das dann wiederum weiter an die einzelnen Menschen, die da dann wohnen.

[Kati]

Okay, das wäre nämlich gerade tatsächlich meine nächste Frage gewesen. Also es gibt dann einen großen Mietvertrag und ihr verwaltet aber dann die Immobilie selbst und gebt es dann weiter an die einzelnen Mietparteien?

[Samuel]

Genau, also so schaut es jetzt aus. Aber es kann auch sein, dass sich da nochmal was ändert. Also das sind dann so die rechtlichen Konstrukte, die halt gut passen, die dann auch gut funktionieren.

[Kati]

Und das haben wir vorher jetzt schon kurz angesprochen, dass alle Bewohnis in der Genossenschaft Mitglied sind. Das bedeutet auch, dass alle geschützt sind vor Spekulationen auf dem Mietmarkt und vor Eigenbedarfskündigungen, oder? Die haben dann einfach ihren festen Platz, wo sie wohnen können.

[Samuel]

Genau, das ist dieses klassische genossenschaftliche lebenslange Wohnrecht, was man sich eben erwirbt über die Einzahlung von den Einlagen und dann noch eine Nutzmiete. Wobei das jetzt schon nochmal anders ist bei uns aus zwei Gründen. Also das eine ist, dass wir eben die Finanzierung ja solidarisch machen.

Das heißt, niemand wird gezwungen, einen Eigenanteil einzubringen. Wenn ich jetzt Geld habe, dann ist es gut, wenn ich es reintue. Aber wenn ich nichts habe, dann ist es kein Ausschlusskriterium.

Das ist das eine. Und das andere ist, dass wir gesagt haben, dadurch, dass es ein solidarisches Wohnkonzept ist, gibt es eine Mindestanforderung an jeden, der dort wohnt, sich irgendwie einzubringen und zu den Treffen zu kommen und sich zum Beispiel an dem Konfliktmediationsplan zu halten, wenn jetzt Konflikte aufkommen würden. Und dass das eben auch ein Grund sein kann, dass Menschen ausziehen müssen, wenn es einfach nicht geht, vom Verhalten her.

[Kati]

Ah ja, okay. Und macht ihr das dann auf einfach Vertrauensbasis, oder habt ihr das dann irgendwo auch festgeschrieben, um euch da abzusichern?

[Samuel]

Also es kommt schon in den Mietvertrag rein, diese Mitwirkung, dass das wichtig ist. Aber eigentlich läuft alles über Vertrauensbasis. Also dass wir einfach uns gemeinsam Prozesse definieren und alle auch damit mitgehen.

Also es geht jetzt nicht darum, Menschen rauszuschmeißen, sondern es geht darum, dass wir halt als Gemeinschaft miteinander gut leben und wohnen wollen.

[Pia]

Das Vertrauen steht ja auch über die Zeit, die wir zusammen verbringen und die vielen gemeinsamen Prozesse, wo wir einfach irgendwann merken, wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen und haben doch immer wieder gleiche Ziele und Anliegen. Und das schafft auch so eine Vertrauensbasis, denke ich.

[Samuel]

Ja, und dazu gehört dann natürlich auch die Unterschiedlichkeit von uns allen zu respektieren. Also dass manche vielleicht sich besser oder eben leichter fällt, sich einzubringen und für andere das schwieriger ist und dass einfach jeder da sein Bestes gibt. Aber ja, wir auch alle unterschiedlich sind.

[Kati]

Ja, ich denke, ihr plant jetzt schon so lange zusammen, da lernt man sich auch nochmal ganz anders kennen als in einer herkömmlichen Wohngemeinschaft. Das ist ja ein ganz anderes Verhältnis dann auch zueinander.

[Samuel]

Ja.

[Kati]

Und du hast vorher von der solidarischen Finanzierung schon gesprochen. Das heißt, wenn jemand das Geld tatsächlich nicht aufbringen kann, dann ist es kein Hinderungsgrund, auch dort wohnen zu können. Aber was, wenn ihr gar nicht insgesamt auf die Summe kommt für die ganzen Genossenschaftsanteile?

Läuft das dann spendenfinanziert oder wie kann man euch unterstützen, wenn jetzt auch Außenstehende Lust hätten dazu?

[Pia]

Also wir finanzieren uns ja zum Großteil über Direktkredite. Das heißt, Menschen, die ihr Geld solidarisch anlegen wollen, uns unterstützen wollen, können uns einen Direktkredit geben. Und gleichzeitig haben wir auch Förderungen durch die GLS-Stiftung und auch durch die Stiftung Trias.

Und das ist einfach das Kapital, was wir haben für den Hausbau und letztendlich aber auch für den Einzug von Menschen, die sonst nicht einziehen könnten, weil sie einfach das Eigenkapital nicht mitbringen.

[Samuel]

Ja, das ist auch echt die Möglichkeit, wie hier Menschen, die den Podcast hoffentlich hören, uns sehr, sehr gerne unterstützen können. Also das Prinzip Direktkredite, das funktioniert letztendlich so, dass das Geld, was jetzt vielleicht jemand auf der Bank liegen hat, sagen wir jemand hat 10.000 Euro auf der Bank liegen und braucht es gerade nicht, dann kann man es eben in das Projekt, in das Haus anlegen, bekommt auch einen Zins dafür und wenn man es wieder haben will, dann kündigt man den Direktkredit und kriegt ihn eben wieder ausgezahlt. Und so sammeln wir uns Leute zusammen, die eben ihr Geld anlegen und kommen insgesamt auf den Betrag, den wir dann brauchen.

[Pia]

Das reicht aber tatsächlich, also auch eine kleine Summe macht schon total viel aus, ab 1.000 Euro schon und so setzt es sich auch zusammen. Es sind Menschen, die kleinere Beträge geben, Menschen, die größere Beträge geben. So setzt sich das dann insgesamt zusammen.

[Samuel]

Ja, es ist auch eigentlich, finde ich, total schön, das zu fühlen, also dass wir jetzt, ich weiß nicht, wie viele es gerade sind, so 60 Menschen ungefähr im Rücken haben, die alle so ein bisschen was geben und das Ganze unterstützen und das fühlt sich auch einfach gut an.

[Kati]

Megacool, ja. Und ihr, also die Finanzierung alleine, wenn man sich das jetzt mal anhört, was ihr da alles schon erreicht habt und auch, um was ihr euch alles kümmern müsst, das schlingt ja auch einiges an personellen Kapazitäten, das ist ja nichts, was man jetzt so nebenbei nach Feierabend mal schnell noch abarbeiten kann. Wie seid ihr denn als Verein Gemeinwohlwohnen aufgestellt?

Also ihr habt sicher Angestellte, oder? Die sich um wahrscheinlich gewisse Dinge kümmern und dann auch ein Gehalt bekommen. Oder wie seid ihr da aufgestellt?

[Pia]

Genau, wir haben die Bürogruppe, das ist so das Kernteam, was an diesen organisatorischen Fragen arbeitet. Und dann gibt es eben die Bewohngruppe und teilweise überschneidet sich das auch. Also teilweise sind Menschen auch in beiden Gruppen.

Aber ich zum Beispiel arbeite im Büro, werde aber nicht in das Haus einziehen. Ich bin aber angestellt bei Gemeinwohlwohnen und arbeite 20 Stunden und bin damit aber auch nicht die Einzige.

[Kati]

Und wie bist du darauf aufmerksam geworden, auf das Projekt? Also habt ihr einfach eine Stellenausschreibung gemacht, die du dann gesehen hast, Pia, oder wie ist das passiert?

[Pia]

Also mein Vater war eine Zeit lang in der Bewohnigruppe. Samuel kenne ich auch schon sehr lange und auch andere Menschen aus dem Projekt. Und so habe ich halt immer davon gehört und davon mitbekommen.

Und das fand ich super spannend und bin dann so nach und nach immer mal wieder in den Treffen aufgetaucht. Und als ich dann gehört habe, dass ihr eben das Gemeinwohlwohnen jetzt gerade eine Person sucht, ja, habe ich mich gemeldet. Und es war auf jeden Fall das Schönste, falls man es überhaupt so nennen kann, ein Bewerbungsgespräch meines Lebens.

Ich weiß noch, wie wir telefoniert haben, Samuel. Und es war einfach so ein, ja, ich hätte Lust, das zu machen. Ja, wir haben auch Lust. Das war sehr schön.

[Kati]

Gibt es denn noch weitere PartnerInnen, von denen wir bisher nicht gesprochen haben, die euch jetzt Wegbegleiter sind?

[Samuel]

Ja, vielleicht. Mir fällt da noch der Zirkel für kulturelle Bildung ein. Der macht so viel Bildungsarbeit und Theaterarbeit.

Und da gibt es auch schon immer wieder so Kooperationen von Gemeinwohlwohnen und dem Zirkel, weil wir ja nicht nur ein Haus bauen wollen, sondern auch letztendlich eine ganze Kultur, einen kulturellen Wandel auch voranbringen wollen. Und da ist Bildungsarbeit in Schulen wichtig. Da ist Theaterprojekte sind da wichtig.

Und genau so machen wir da auch immer wieder so Veranstaltungen, die wir dann über unseren Newsletter halt bewerben. Und langfristig gesehen wollen wir auf jeden Fall in dem Community-Space mit verschiedenen anderen Partnern zusammenarbeiten. Also wir wollen den gemeinsam gestalten, und zwar gerade mit Initiativen, die halt vielleicht noch nicht so viele Räume haben, die eher so ein bisschen am Rande sind oder es schwer haben aufgrund von verschiedenen Diskriminierungserfahrungen.

[Pia]

Und auch mit anderen Wohnprojekten. Also zum Beispiel der Wörth 8, dem Mietshaussyndikat, was ja auch in Heidhausen ist. Oder dem Wohnprojekt in der Götzerstraße.

Das ist auch ein sehr schöner Austausch und immer wieder gegenseitige Unterstützung.

[Kati]

Eine Frage, die mir gerade noch einfällt. Also bei euch leben ja auch Menschen mit Unterstützungsbedarf. Wie habt ihr die Assistenz für die Zukunft euch vorgestellt?

Also wird da ein Pflegedienst kommen oder wollt ihr das unter euch Bewohnern ausmachen?

[Samuel]

Wir wollen das über das persönliche Budget organisieren. Das persönliche Budget ist ja, da hat ja jeder Mensch mit Unterstützungsbedarfen Anrecht drauf, dass eben die Leistungen, das Geld, nicht direkt an jetzt den Pflegedienst zum Beispiel gehen, sondern erst mal auf das eigene Konto. Und man sich dann selber entscheiden kann, wo und wie man die Leistungen sich holt.

Und das kann dann ganz individuell unterschiedlich sein für den einen Menschen könnte es sein, dass er eine Mitbewohnerin bezahlt, die dann ein bisschen unterstützt oder jemand von außerhalb, der als Assistenz kommt. Das könnte auch ein Pflegedienst sein, wenn man das will. Also letztendlich gibt es da einfach die maximale Freiheit, für jeden individuellen gutes Konzept eine gute Lösung zu finden.

Und natürlich auch mit Unterstützung vom Verein von Gemeinwohlwohnen, weil jetzt vielleicht für manche Leute das überfordernd ist, sich so ein Assistenzteam selber zu organisieren. Aber genau dafür ist ja dann auch eben Gemeinwohlwohnen da.

[Kati]

Also ich sehe schon, bei euch läuft sehr viel über Augenhöhe und gute Zusammenarbeit. Was würdet ihr sagen, ist euch so das Wichtigste oder welche Punkte sind euch wichtig für eine gute Zusammenarbeit, sowohl jetzt mit PartnerInnen, mit denen ihr jetzt beruflich zu tun habt, als auch untereinander in der Bewohni-Gruppe?

[Samuel]

Ich finde ganz wichtig ist das Gespräch miteinander und die Zeit. Also ich finde ganz oft verursacht Zeitdruck eigentlich Ausschlüsse und Diskriminierungen. Und ich finde es auf jeden Fall wichtig, dass wir uns in Crip-Time fortbewegen.

Also das Konzept Crip-Time kommt aus der Behindertenbewegung, dass man sich immer an dem orientiert, mit der größten Schwäche oder größten Benachteiligung und nicht so schnell wie es geht irgendwie läuft und wächst, sondern eher so langsam wie nötig. Das finde ich auf jeden Fall wichtig.

[Pia]

Ich mag diesen Begriff der Fürsorge sehr gerne. Das ist letztendlich etwas, worauf wir alle angewiesen sind. Das ist die Fürsorge der anderen, die Unterstützung der anderen.

Ich finde es schön, das auch immer wieder mitzudenken in unseren Treffen und in unserer Arbeit, wie wir füreinander gut sorgen können, auch für uns selbst und für die anderen.

[Samuel]

Ja, und eine Ganzheitlichkeit. Also das ist keine Trennung, nicht diese künstliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit und zwischen die Experten oder die Profis und die Betroffenen oder zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten und so weiter. Also dass all diese Trennungen, die so da sind, dass die eigentlich sich auflösen dürfen.

Dass es okay ist, wenn jemand sagt, hey, heute geht es mir nicht so gut. Ich würde gerne aber trotzdem Gemeinschaft haben. Ich komme jetzt ins Büroteam, ich haue mich da auf eine Couch und ich liege einfach mit euch rum, aber arbeite nicht.

Dass so etwas voll okay ist. Oder dass es okay ist, zu sagen, hey, ich habe zwar keine Ausbildung in Pflege, aber ich würde eigentlich voll gern dich unterstützen. Und dann organisiert man das eben auf einer Ebene, dass vielleicht auch jemand Geld bekommt als Mitbewohner oder als Freund.

Also dass man diese ganzen Trennungen, die so da sind, einfach, dass wir die überwinden und darüber hinweggehen. Das finde ich ganz wichtig.

[Pia]

Wir haben ja auch eine Antidiskriminierungs-AG und Menschen unserer Gruppe sind ja von unterschiedlichen Formen von Diskriminierung betroffen. Ich glaube, das ist auch ein Anliegen oder Ansatz, der auch unsere Gruppe verbindet, sich dieser Diskriminierungen gewahr zu werden. Und zu schauen, wie gehen wir damit um?

Wie können wir dem entgegenwirken? Oder erstmal uns dessen vielleicht überhaupt erst gewahr werden?

[Samuel]

Ja, und auch, dass es so ein Selbstläufer ist. Jeder, der sich organisiert und irgendwie was schafft, so wie jetzt dieses Haus, wirkt Diskriminierung entgegen, aber läuft auch Gefahr, wieder neue Diskriminierungen zu reproduzieren oder Privilegien aufzubauen. Bezogen auf die Behindertenbewegung finde ich, da gibt es dann wieder eine neue Diskriminierung, dass zum Beispiel Menschen mit kognitiven Einschränkungen ausgeschlossen werden oder Menschen, die eine Behinderung und eine Migrationsgeschichte haben.

Und ich glaube, da ist es ganz wichtig, eigentlich immer wieder kritisch draufzuschauen und sich so ein bisschen selbst zu hinterfragen.

[Kati]

Das finde ich super spannend, weil ich bin ja selbst auch durch meine Behinderung von Diskriminierung schon oft betroffen gewesen, hatte aber nicht immer alles auf dem Schirm, wodurch andere Leute diskriminiert werden. Wie ist das innerhalb eurer Gruppe? Also ist das viel Arbeit, die Diskriminierungsformen dem anderen jeweils zu erklären, oder herrscht da so eine relative Awareness, sage ich jetzt mal, für alle Themen?

[Pia]

Also ich kann für mich sagen, dass es immer sehr, sehr viel zu lernen gibt und dass das ein Prozess ist, der vielleicht für mich persönlich nie abgeschlossen ist, aber ich das Gefühl habe, dass die Voraussetzungen zum Lernen in unserer Gruppe da sind, weil wir uns miteinander auf einer gewissen Ebene wohl und vertraut fühlen, wie wir es ja vorher schon erwähnt haben. Ja, so nehme ich das wahr. Und du, Sam?

[Samuel]

Ja, ich nehme es auch so wahr, dass es wieder mit Zeit zu tun hat, also dass wir immer sagen, der Prozess vor dem Ergebnis, oder Störungen gehen vor, also wenn irgendein Unwohlsein da ist, dass wir das vorziehen vor alles andere. Und das ist dann nicht wichtig. Also das, was wir dann schaffen wollen, das muss dann halt in den Hintergrund treten, weil gerade da was Wichtiges, Zwischenmenschliches passiert.

Und ja, eigentlich alle zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten kann man ja auch immer wieder zurückführen auf irgendwelche Diskriminierungsthemen oder haben irgendwie damit zu tun. Ganz viel passiert ja auch unbewusst. Eine wichtige Sache ist auf jeden Fall, dass wir so Sonntagstreffen machen, wo wir uns viel Zeit nehmen, über einzelne Themen zu sprechen.

Wir machen einmal im Jahr so ein Gutes-Leben-und-Arbeiten-Treffen, wo wir ein ganzes Wochenende miteinander verbringen und dann mithilfe von einer externen Moderation, die auch in Antidiskriminierung geschult ist, dass wir da dann nochmal vertieft auf Themen schauen.

[Kati]

Ja, spannend, was ihr alles macht, um eine gute Gemeinschaft zu sein. Das ist, glaube ich, sehr wertvoll. Ja.

Was würdet ihr denn sagen, welche Tipps könntet ihr anderen Menschen geben, die auch ein ähnliches Wohnprojekt wie eures umsetzen wollen? Irgendwer hat mal gesagt an der Stelle: einfach machen.

[Pia]

Vielleicht genau das, sich die Zeit nehmen für alles, was aufkommt, für die zwischenmenschlichen Themen und für die Gemeinschaftsbildung.

[Samuel]

Ich würde auch sagen, eher die Dinge gut und langsam machen oder auch mal weniger machen, aber dafür richtig und gut und durchdacht, als ganz viel und ganz schnell. Das finde ich superwichtig auf jeden Fall. Und die Geduld.

Also nicht in einem Jahr zu denken, sondern auf Jahrzehnte.

[Pia]

Und natürlich, was mir gerade noch einfällt, was dann natürlich, auch wenn es dann mal länger dauert, immer wieder Energie gibt, ist natürlich auch schöne Dinge gemeinsam zu unternehmen und zu feiern. Und die Freude ist, glaube ich, auch ganz wichtig als Motor. Das stimmt natürlich.

[Kati]

Gibt es auch irgendwas, was ihr beim nächsten Mal anders machen würdet?

[Samuel]

Ich würde mich auf jeden Fall weniger stressen, dass wir das schaffen, das hinzubekommen. Auch gerade mit dem Geld. Ich meine, es ist unglaublich.

Wir haben jetzt eine Million Euro zusammengesammelt. Uns fehlen jetzt noch 150.000 Euro an Direktkrediten von Menschen. Aber wir haben schon so viel geschafft.

Einfach, dass das auch wirklich möglich ist. Und seine Zeit braucht. Ich glaube, da würde ich mir beim nächsten Mal weniger Stress machen.

[Kati]

Das ist, glaube ich, immer ganz gut. Gibt es irgendein Erlebnis, was euch besonders im Kopf bleibt, wenn ihr jetzt auf den Prozess zurückblickt, der ja schon ein paar Jahre geht? Irgendwie das schönste Erlebnis, das lustigste, das emotionalste, vielleicht auch das schlimmste.

Also alles, was euch einfällt gerade.

[Samuel]

Oh, da fallen mir so viele Sachen ein, die so schön waren.

[Kati]

Gut, der Superlativ war jetzt vielleicht ein bisschen eine Erschwerung. Wir können auch einfach sagen, ein schönes Erlebnis.

Dann ist es vielleicht leichter, sich für eins zu entscheiden.

[Samuel]

Ja, ich fand auf jeden Fall ein Erlebnis, was mir hängen geblieben ist, als wir unsere erste öffentliche Veranstaltung gemacht haben vor zwei Jahren, bald zwei Jahren, wo wir angefangen haben, dann Direktkredite zu sammeln von Leuten und die Bewohnergruppe vorzustellen. Da war der ganze Saal voll mit Menschen. Jeder von den Bewohnern hat etwas gesagt, und das war irgendwie sehr tiefgehend, diese Unterschiedlichkeit von all den Personen, die da zusammenziehen wollen, so zu fühlen.

Dann hat sich ein Mensch gemeldet von den Gästen und hat dann zu weinen angefangen und gesagt, hey, das ist so besonders und das ist so wichtig, was ihr macht für die ganze Gesellschaft, und es sollte es viel mehr geben. Das war irgendwie sehr ergreifend. Der Mensch hat dann auch ein Tanzfest organisiert und bei dem Tanzfest Geld gesammelt.

Das war irgendwie was Besonderes.

[Pia]

Wow. Für mich sind es oft so kleine Momente bei unseren wöchentlichen Treffen. Zum Beispiel waren vor Kurzem mal wieder neue, interessierte Menschen dabei, die einfach Lust hatten, sich einzubringen.

Wir saßen zusammen bei unserem Plenum und haben besprochen. Wir haben einfach sehr viel gelacht, und es hat richtig Spaß gemacht, das so gespiegelt zu bekommen, auch von den neuen Menschen, wie viel Freude sie dabei hatten, in unsere Gruppe reinzuschnuppern. Das war nochmal so ein Moment, wo ich gemerkt habe, das ist wirklich schön, was wir hier machen.

[Kati]

Ja, cool. Was mir auffällt, ich bekomme das ja hauptsächlich auf Social Media mit, was ihr so macht, und ihr singt sehr viel zusammen. Oder zumindest landen da ab und zu irgendwelche Schnipsel auf Social Media, was ich wirklich außergewöhnlich finde, aber auch schön.

Ich dachte so, okay, jetzt höre ich mir das mal an. Ich war dann wirklich nach 30 Sekunden so ergriffen davon, was ihr da auf die Beine stellt und wie schön eure Zusammenarbeit ist und wie sehr ihr daran glaubt. Das hat mich wirklich sehr berührt.

Also muss ich schon sagen.

[Samuel]

Danke dir, Kati. Zum Glück haben wir einige musikalische Menschen dabei.

[Kati]

Der besungene Kastanienbaum, bleibt der eigentlich stehen oder muss der eurem Haus weichen?

[Samuel]

Nee, der bleibt stehen. Der steht im Hof von dem Häuserblock zum Glück und nicht auf dem Grundstück.

[Kati]

Ah, okay, gut. Das habe ich in dem Moment nicht geschnallt, wo ich es angehört habe, aber cool. Dann würde ich sagen, kommen wir auch schon zum Ende von unserem Gespräch.

Ich möchte mich ganz herzlich bei euch dafür bedanken, dass ihr euch die Zeit genommen habt und den Zuhörerinnen den Einblick in euer Projekt gegeben habt und wünsche euch ganz, ganz viel Erfolg und gutes Gelingen mit eurem Projekt.

[Pia]

Ja, danke dir.

[Samuel]

Danke dir für die Mühe, für den Podcast und auch für die Unterstützung über Wohnsinn. Danke.

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